Der Papst sucht den Konflikt

Mitten in der Krise um den Holocaust-Leugner adelt Benedikt XVI. den nächsten Rechtsaußen: Harry-Potter-Hasser wird Bischof in Linz
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Das Kirchenoberhaupt, Papst Benedikt XVI., hält die Hand über seine umstrittenen Schützlinge.
AP Das Kirchenoberhaupt, Papst Benedikt XVI., hält die Hand über seine umstrittenen Schützlinge.

ROM - Mitten in der Krise um den Holocaust-Leugner adelt Benedikt XVI. den nächsten Rechtsaußen: Harry-Potter-Hasser wird Bischof in Linz

Benedikt XVI. geht auf offenen Konfrontationskurs: Inmitten der Krise um seine Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners hat der Papst die nächste Entscheidung mit Signalwirkung getroffen: Er ernannte den ultrakonservativen österreichischen Priester Gerhard Wagner zum Weihbischof von Linz – zum Entsetzen der dortigen Diözese.

Die Nominierung Wagners kam völlig überraschend, er hatte nicht einmal auf der Vorschlagsliste der Diözese gestanden. Die Entscheidung war in keiner Weise mit den dortigen Verantwortlichen abgesprochen. Wagner war häufiger mit radikalen bis abstrusen Ansichten aufgefallen: So warnte er Jugendliche, sie dürften keine Harry-Potter-Bücher lesen, das sei Satanismus.

2000 Tote eine gerechte Strafe?

Den Hurrikan „Katrina“, der New Orleans verwüstet und mehr als 2000 Menschen getötet hatte, nannte er eine gerechte Strafe Gottes für eine unmoralische Stadt. „Es ist kein Wunder, dass fünf Abtreibungskliniken zerstört wurden. Und zwei Tage später war eine große Homo-Parade geplant.“ Auch der Tsunami 2004 sei absichtlich an Weihnachten geschickt worden, als viele reiche Westler Urlaub in Thailand machten. Wagner nach seiner Nominierung: „Ich bin einer, der die Konfrontation geradezu sucht.“

Liberale Katholiken reagierten entsetzt. „Das ist eine Katastrophe“, so der Linzer Generaldechant Franz Wild. Ich hoffe, dass der Kirche klar ist, dass wir im 21. Jahrhundert leben und auch sie dort leben muss.“ „Schlimmer hätte es nicht kommen können“, schrieben die „Oberösterreichischen Nachrichten“.

"Rückfall in frühere Jahrhunderte"

Die umstrittene Ernennung passiert inmitten des Konflikts um einen anderen ultrakonservativen Kirchenmann: Holocaust-Leugner Richard Williamson. Er hatte vor kurzem wieder öffentlich behauptet, es gebe Beweismaterial, dass die Nazis keinen einzigen Menschen vergast hätten. Wenig später hob Benedikt XVI. die vor 20 Jahren ausgesprochene Exkommunizierung von Williamson auf.

Dieser Vorgang sorgt nach wie vor für Entsetzen. Israel erwägt laut dem Minister für Religionsangelegenheiten, Jizchak Cohen, den Abbruch der Beziehungen zum Vatikan. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sprach von einem „Rückfall in frühere Jahrhunderte“. „Die Rehabilitierung von Williamson ist unverzeihlich und zeigt, dass der Papst die Versöhnung mit den Juden in Frage stellt.“

"Anti-modern und totalitär"

Auch Christen sind empört: „Der Papst macht sich offenbar gar keine Vorstellungen, wie verheerend sein Tun aufgenommen wird“, so der vom Vatikan gebannte Theologe Hans Küng. Distanzierung kam aber auch von Vertretern der Amtskirche. Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, stellte sich offen gegen den Vatikan: „Es belastet mich als Seelsorger, dass diese Vorgänge zur äußeren und inneren Entfremdung zahlreicher Gläubiger führen.“

Aus Protest gegen den Papst trat gestern der prominente niederländisch-deutsche Theologe und Ethiker Professor Jean-Pierre Wils aus der katholischen Kirche aus: „Ich will nicht mehr mit dem anti-modernen, anti-pluralistischen und totalitären Geist dieser Kirche identifiziert werden."

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