Der Operetten-Wahlkampf in Österreich

Am Sonntag geht Österreich an die Urnen – und im Vorfeld der Wahl war der Unterhaltungswert deutlich höher als in Deutschland. Wer wie abschneiden könnte.
von  mab
Die Spitzenkandidaten beim Österreicher Operettenwahlkampf: Werner Feymann von der SPÖ (erster von links unten) - Eva Glawischnig von den Grünen (zweite von links unten) - Frank Stronach vom Team Stronach (rechts unten) - Michael Spindelegger von der ÖVP (zweiter von rechts oben) - Heinz-Christian Strache von der FPÖ (erster von rechts oben)
Die Spitzenkandidaten beim Österreicher Operettenwahlkampf: Werner Feymann von der SPÖ (erster von links unten) - Eva Glawischnig von den Grünen (zweite von links unten) - Frank Stronach vom Team Stronach (rechts unten) - Michael Spindelegger von der ÖVP (zweiter von rechts oben) - Heinz-Christian Strache von der FPÖ (erster von rechts oben) © picture alliance / dpa

Wien - Es ist das Kontrastprogramm zum Langeweile-Wahlkampf in Deutschland: Wenn am Sonntag 6,3 Millionen Österreicher zu den Urnen gehen, dann endet in der Alpenrepublik ein Wahlkampf, der das gemütliche Land durcheinander gewirbelt hat. Mit einem Milliardär, der die Todesstrafe fordert, drei rechten Parteien und 30 TV-Duellen.

Wer glaubt, Österreich habe mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider († 2008) politisch alles erlebt, irrt. Im Gegensatz zum braun-gebrannten FPÖ-Demagogen von damals tritt nun rechts außen eine grauhaarige Milliardärs-Eminenz an. Frank Stronach (81), austro-kanadischer Industrieller, hat es als Gründer des Autozulieferers Magna zu Reichtum gebracht. Und will quasi als heimgekommener Schwarzenegger die Politszene aufmischen. Seine Partei heißt „Team Stronach“, liegt in Umfragen bei sieben Prozent. Die anfangs zweistelligen Werte hat er sich durch wirre Auftritte ruiniert.

„Keiner hat Österreich mehr gedient als ich“, ist sich Polit-Arnie Stronach sicher und gibt sich als Law-and-Order-Mann. Er will Arbeiterführer notfalls erschießen lassen und die Todesstrafe einführen. Damit fischt er in den Tümpeln der rechten FPÖ von Heinz-Christian Strache (44).

Letzterer musste Verbindungen zur Neonazi-Szene eingestehen, er hebt schon mal die Hand zum „Kühnengruß“ – einer abgewandelten Form des Hitlergrußes. Bei der letzten Wahl hat er plakatieren lassen: „Daham statt Islam“. Diesmal lautet sein zentrales Motto: „Liebe deine Nächsten – für mich sind das Österreicher“. Mit diesen Parolen hat Strache das ebenfalls rechte BZÖ auf nur zwei Prozent gedrückt und kommt mit seiner FPÖ auf 20 Prozent.

Damit könnte es für die regierende große Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und ÖVP knapp werden: Es liegt derzeit bei zusammen 50 Prozent. Dieses Bündnis ist seit Jahrzehnten fast immer der Normalzustand der Alpenrepublik. „Sie erfreut sich einer Unbeliebtheit, die als nationaler Konsens gelten darf“, schreibt der „Standard“. Vorne die SPÖ von Kanzler Werner Faymann mit 27 Prozent. Er macht im Wahlkampf ganz auf Bundeskanzlerin Angela Merkel: Warum die Pferde wechseln, wenn es gut läuft? Österreich ist europaweit bei der Arbeitslosigkeit Spitze und auch der Wirtschaft geht es gut.

Wenig Angriffspunkte für Koalitionspartner Michael Spindelegger (53) von der ÖVP. Seine Partei rutschte in der jüngsten Umfrage auf rund 23 Prozent ab. Die gute alte Elefantenehe hat viel Raum für kleine Parteien geschaffen: die drei erwähnten am rechten Rand, plus die neuen Neos – wirtschaftsfreundliche Neoliberale.

Die einzigen auf der anderen Seite der Mitte sind die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Eva Glawischnig (44). Sie werben für sich als einzig korruptionsfreie Partei. Mit einigen Wahlkampf-Aktionen, etwa einem Test von Fairtrade-Kondomen oder einem Schaf-Wahlplakat „Wir sind weniger belämmert“, drifteten aber auch sie gelegentlich ins Operettenhafte.

Die Vielzahl der Bewerber hat auch Unterhaltungswert: unter anderem, weil bei den österreichischen TV-Duellen jeder gegen jeden antreten muss. Ganze 30 Stück wurden also ausgestrahlt. Mit ziemlich guten Quoten.

Die Spitzenkandidaten:

Werner Faymann (SPÖ, 53): Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll über den österreichischen Bundeskanzler gelästert haben, er komme bei EU-Verhandlungen in Brüssel ohne Meinung herein und gehe mit ihrer wieder hinaus. Faymann ist mehr Machttechniker als Visionär. Aber viele Österreicher schätzen ihren freundlichen und meist pragmatisch agierenden Regierungschef. Damit hat der Sozialdemokrat dann doch viel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam – nur eben nicht das Parteibuch.

Michael Spindelegger (ÖVP, 53): Der Außenminister und Vizekanzler ist Faymanns Partner in der bisherigen großen Koalition. Im Wahlkampf versuchte der höflich auftretende Jurist, an Ecken und Kanten zu gewinnen. Doch in den Umfragen zeigte das bislang keinen Erfolg, die ÖVP liegt deutlich hinter der SPÖ zurück. Spindelegger ist in der Zwickmühle, dass Faymann als Kanzler den Amtsbonus einstreicht und seinem Juniorpartner im Bündnis nicht genug Angriffsfläche bietet.

Eva Glawischnig (Grüne, 44): Die Gastwirtstochter aus Kärnten rebellierte schon als Jugendliche gegen ihr eher rechtes Elternhaus. Das ist bis heute geblieben. Um sich nach einem Fernsehduell mit dem rechten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache abzureagieren, habe sie ihre gesamte Wohnung geputzt, sagte Glawischnig vor Kurzem. In den 1990ern kam die promovierte Juristin über die Arbeit bei der Umweltorganisation Global 2000 zu den Grünen. Ihr gelang es, die streitbare Partei nach außen zu einen. Im Wahlkampf setzte sie auf Authentizität. Glawischnig ist mit dem österreichischen Fernsehmoderator und Sportjournalisten Volker Piesczek verheiratet.

Heinz-Christian Strache (FPÖ, 44): Er nennt sich nur „HC“ und will hip und jugendlich auftreten. Doch Strache stolpert immer wieder über seine Nähe zu Rechtsradikalen. Der gelernte Zahntechniker kam über eine schlagende Verbindung zur FPÖ. In der Partei war er lange der Ziehsohn von Jörg Haider, mit dem er sich später überwarf. Zur Kampfabstimmung zwischen beiden kam es nicht mehr, weil Haider 2005 sich mit dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von der FPÖ abspaltete.

Frank Stronach (Team Stronach, 81): Der heutige Milliardär wuchs in ärmsten Verhältnissen in der Steiermark auf. Als Auswanderer baute der gelernte Werkzeugmacher in Kanada aus einer Garage heraus den Weltkonzern „Magna“ auf. Mit FPÖ-Rechtsaußen Heinz-Christian Strache lieferte er sich im Wahlkampf einen Oben-Ohne-Contest und zeigte stolz seinen noch fitten Körper. Der Polit-Neuling sorgte mit seiner Forderung nach der Wiedereinführung der Todesstrafe für Wirbel.

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