Der neue Kippen-Krieg: Kommt das Rauchverbot ohne Ausnahmen?

MÜNCHEN - Die EU will Bayerns Ausnahme-Regeln beim Rauchverbot verbieten. Gesundheitsminister Markus Söder wehrt sich dagegen. Die Unruhe der Politiker über das heikle Thema ist wieder da.
Dieser Juli fängt nicht gut an für Raucher in Deutschland: Eine Schachtel Zigaretten kostet am Automaten jetzt fünf statt bisher vier Euro. Damit nicht genug: Plötzlich ist ein Thema wieder da, das die Politiker mit Ach und Krach und vielen faulen Kompromissen beerdigt zu haben glaubten: ein Rauchverbot ohne Ausnahmen. Doch genau das fordert jetzt die EU-Kommission – an allen Arbeitsplätzen, in Verkehrsmitteln, Gaststätten, Kneipen und Discotheken.
Bis 2012 sollen alle EU-Staaten dafür entsprechende Gesetze erlassen, fordert die EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassilliou. Ihr Vorschlag wird umgesetzt, wenn alle 27 Gesundheitsminister der EU-Staaten zustimmen.
Der Vorstoß steht im krassen Widerspruch zum bayerischen Nichtraucherschutzgesetz, das Ausnahmen in Einraum-Kneipen sowie Bier-, Wein- und Festzelten vorsieht. Die Empörung unter den Rauchern und Gastronomen ist groß. Und auch die Nervosität unter den Politikern ist wieder da: Zu groß ist die Angst, mit dem heiklen Thema bei den Bundestagswahlen Stimmen zu verlieren.
"Die EU ist gar nicht zuständig", sagt Bayerns Gesundheitsminister Söder
Bestes Beispiel: die Bundes-Drogenbeauftragte, Sabine Bätzing. Erst schloss sie sich der EU-Forderung an, machte sich für „ein absolutes Rauchverbot in öffentlichen Räumen, Gaststätten und Hotels“ stark. Gestern fühlte sich sich plötzlich falsch verstanden, plädierte nur noch für eine bundesweit einheitliche Regelung beim Nichtraucherschutz. Die SPD-Nachwuchshoffnung fürchtet die Wut der Raucher.
Für Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder ist die Sache klar: „Der Vorschlag schießt deutlich über das Ziel hinaus“, sagt er der AZ. „Die EU ist gar nicht zuständig, sondern die Mitgliedstaaten.“ Und in den Mitgliedstaaten sind die Bundesländer verantwortlich. Söders Taktik ist klar: Er ist froh darüber, dass die Bürger das frühere Hick-Hack der CSU in Sachen Rauchverbot vergessen haben – zumindest deutet er das Europawahl-Ergebnis so. Er will mit aller Macht verhindern, dass das Reiz-Thema wieder hochkommt und der CSU schadet. „Es geht nicht um Ideologie, sondern den Versuch, die Gesundheit mit bayerischen Traditionen in Einklang zu bringen“, sagt er deshalb diplomatisch. „Das ganze ist ein Stück leben und leben lassen.“ Und noch pathetischer: „Es geht darum, wieder gesellschaftlichen Frieden herzustellen.“
Das gilt in Bayern
Als die CSU noch alleine regierte, wollte sie das härteste Rauchverbot der Republik erlassen. Spätestens seit der Klatsche bei der Landtagswahl denken die Christsozialen liberaler – auch weil die FDP jetzt mitredet. Die Staatsregierung von Horst Seehofer brachte ein neues Gesetz auf den Weg. Ausnahmen gelten für: „getränkegeprägte“ Wirtshäuser mit einer Fläche von unter 75 Quadratmetern, Bier-, Wein- und Festzelten, die höchstens drei Wochen stehen sowie Nebenräume von Discos, in denen sich keine Tanzfläche befindet und sich keine Jugendliche unter 18 Jahren aufhalten. Raucherclubs gibt es nicht mehr.
Am 1. August soll das Gesetz in Kraft treten – der Landtag muss Mitte Juli noch zustimmen. Die ÖDP will jetzt ein Volksbegehren starten, um die Ausnahmen zu verhindern. Wenn sich zehn Prozent der Wahlberechtigten in ihren Gemeinden in eine Liste eintragen lassen, wird über das Gesetz abgestimmt. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht.
Volker ter Haseborg