Der neue Gesundheitsminister: Jungstar auf dem Schleudersitz

Dr. med Philipp Rösler, geboren im Vietnam-Krieg, ist jüngster Minister im Kabinett Merkel , und einer der wichtigsten. "Frisch und unverbraucht" soll er ans Werk gehen und sich mit Pharma- und Ärzte-Lobby auseinandersetzen.
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Philipp Rösler wird neuer Gesundheitsminister
dpa Philipp Rösler wird neuer Gesundheitsminister

Dr. med Philipp Rösler, geboren im Vietnam-Krieg, ist jüngster Minister im Kabinett Merkel , und einer der wichtigsten. "Frisch und unverbraucht" soll er ans Werk gehen und sich mit Pharma- und Ärzte-Lobby auseinandersetzen.

An seinem Geburtstag wurde geschossen, die Amerikaner waren auf dem verzweifelten Rückzug, dem Buben in der Hütte im Mekong-Delta wurde keine Super-Karriere an der Wiege gesungen. Doch Philipp Rösler hat sie gemacht. Jetzt ist er jüngster Minister im Kabinett Merkel - und einer der wichtigsten dazu.

Am 23. Februar 1973 wurde der Bub in Khan Hung geboren, einem Städtchen im Süden Vietnams. Von den Eltern ist nichts bekannt. Nicht einmal einen Namen hatte das Kind, das in einem katholischen Waisenhaus abgegeben wurde.

Einen Monat später zog der letzte US-Soldat aus dem südostasiatischen Land ab. Erst 1975 endete der Vietnam-Krieg mit drei Millionen Toten. Da war der Bub schon bei seinen neuen Eltern – adoptiert über Terre des Hommes.

Philip nannten sie ihn und brachten das Kind mit nach Deutschland. Der Vater war Fluglehrer bei der Bundeswehr und Sozialdemokrat. Er war der wichtigste Mensch in Philips Leben. Vor allem nach der Trennung seiner neuen Eltern. Da war er vier, und er blieb beim Vater.

„Mein Papa hat mit mir darüber geredet“, sagt Rösler heute über den Tag, als er sein Anderssein im Spiegel sah. „Ich habe mich gefragt, ob ich ein verschollener Prinz war.“

Ein Märchen ist es nicht, aber Philip ist begabt. In Hamburg, Bückeburg und Hannover wächst er auf, lernt fleißig und macht mit 19 an der Lutherschule in Hannover ein glänzendes Abi. „Klug, mitfühlend, humorvoll“, nennen ihn seine Freunde, für seine Gegner ist er schlicht ein „Streber“.

Nach der Schule wird er Sanitäts-Offiziersanwärter, er studiert Medizin, und er tritt in die FDP ein: „Um mit guten Argumenten etwas zu bewegen“, wie er sagt.

Mit seinen Manieren und dem leicht Altklugen fällt er auf in der Partei, er wird Chef der Julis. Auch Niedersachsens FDP-Chef Walter Hirche wird auf den Mann, er ist mittlerweile Dr. med., aufmerksam. Mit 30 ist er Fraktionschef der FDP im Landtag von Niedersachsen.

In der Partei hat Rösler auch privat sein Glück gefunden. Wiebke, damals noch Lauterbach, war seine Stellvertreterin im Jungliberalen-Amt. Sie sagt: „Ich war mir sicher, dass ich den mal heirate.“ Seit einem Jahr haben sie Zwillinge. Gritje-Marie und Gesche Helen heißen die Mädchen auf gut norddeutsch.

Wiebke, seit sechs Jahren ist die Ärztin Frau Rösler, brachte ihren Mann dazu, sich mit seinen Wurzeln auseinanderzusetzen. Vor drei Jahren besuchte das Paar Vietnam. Aber Rösler fühlt sich als deutscher Katholik, und er schaut lieber nach vorne als zurück. So auch jetzt.

Eigentlich wollte er lieber in Niedersachsen bleiben, sagte Rösler noch während der Koalitionsverhandlungen. In Hannover ist er seit Februar Wirtschaftsminister. Doch während der Verhandlungen in Berlin fiel der 36-Jährige auch der Kanzlerin auf.

Sie traut ihm zu, und sein Parteichef Westerwelle sowieso, das vielleicht schwierigste Amt im Kabinett zu übernehmen.

Im Gesundheits-Ministerium hat es der Nachfolger von Ulla Schmidt und Horst Seehofer mit ausgebufften Interessenvertretern von Kassen, Pharma- und Ärzte-Lobby zu tun. Die wussten bisher noch jede Reform zu Lasten ihrer Klientel zu verhindern.

Doch Rösler sei „frisch und unverbraucht“ jubelt Westerwelle: „Er hat genau den Schwung, den man in der alten verkorksten Gesundheitspolitik braucht, um ein besseres Ergebnis zu erzielen.“

Der Neue soll nichts weniger leisten als einen Systemwechsel. „So steht es im Koalitionsvertrag“ sagt der Novize, „und ich gehe davon aus, dass die Union das mitträgt.“

Allzu viel Selbstbewusstsein will Rösler aber nicht zur Schau tragen: „Die Berufung kam mehr als plötzlich“, und er habe „enormen Respekt vor der Aufgabe“. Man habe ihn auch vor dem Schleudersitz gewarnt: „Es ist nicht das leichteste Amt, dafür umso spannender“.

Auf jeden Fall hat Rösler eine Exit-Strategie. Gerade hat die Familie in Hannover ein Haus gekauft, Frau und Kinder bleiben in Niedersachsen. Und überhaupt wolle er mit 45 der Politik den Rücken kehren. Er war 30, als er das sagte. „Sie verändert den Menschen zu sehr.“ Er gibt sich also noch neun Jahre Zeit.

Johannes Lieberer

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