Der neue Bundespräsident: Das Schaulaufen der Kandidaten

BERLIN - Der rot-grüne Kandidat Joachim Gauck setzt mit einer Grundsatzrede schon mal Standards – noch eine Woche haben die zwei unterschiedlichen Kandidaten vor der Kür des Staatsoberhauptes
BERLIN In einer Woche schon wird der neue Bundespräsident gewählt: Schlussspurt in einem Wahlkampf, der offziell gar keiner ist. Beide Kandidaten nutzen die Zeit, um auf den Bühnen der Republik ihre Kür zu absolvieren: Joachim Gauck, der kraftvolle, selbstbewusste Kandidat von Rot-Grün, und Christian Wulff, der brave, effiziente Vertreter der schwarz-gelben Regierung.
Gauck gab seine Vorstellung gestern im Deutschen Theater in Berlin – und sie wurde zu einer Art Hochamt. Er hielt eine Grundsatzrede mit sehr großen Bögen, von Thomas Mann bis Erich Fromm. Über das Kind Joachim, das gelernt hat: „Draußen ist es zum Fürchten“ – im Krieg; in der DDR, die seinen Vater nach Sibirien verschleppte. Wie er „überlebensfähig“ wurde. Er spricht über Mut und Widerstand und die Kraft, die es kostet, immer Minderheit zu sein. Auch über die Angst vor der Freiheit, über Menschen, die vor der „unerträglichen Last der Eigenverantwortung“ in „stupiden Konformismus oder Burgen der Ideologien“ flüchten.
Auch über das Heute spricht er: „Wir haben genug vom Treiben gewissenloser Finanzakrobaten – aber wir wissen auch, dass nicht die gesamte Wirtschaft verantwortungslos ist“, sagt Gauck. „Und wir wissen, dass Sozialleistungen nur von einer funktionierenden Marktwirtschaft erwirtschaftet werden kann.“ Für die Meisterung der Krise gebe es keine einfachen Lösungen, nur „unseren Sachverstand und – freilich dürren – Mut“.
Er wirbt für Bürgersinn und Integration, verteidigt den Afghanistan-Einsatz: „Nicht Verantwortungslosigkeit hat die Soldaten geschickt, sondern Verantwortung.“ Über das Amt des Bundespräsidenten sagt der Bürgerrechtler, er würde es ausfüllen als ein „Ständiger Vertreter“ der Demokratie. Milde verteidigt er die Parteien: Ohne sie wäre das System „noch langsamer und ineffizienter“. Nach der Rede herrscht bei den Granden von Rot und Grün Euphorie, auch CDU-Vertreter wie Kurt Biedenkopf erheben sich zu minutenlangem Beifall. Heute ist Gauck in München, er stellt sich auf Einladung von SPD und Grünen im bayerischen Landtag vor.
Von jener Größe fast bis zum Pathos sind Wulffs Veranstaltungen weit entfernt. Auf seiner Tagesordnung stand gestern der Hochschul-Planungssicherungs-Vertrag in Hannover. Er sagt, als Bundespräsident würde er auch bei sich sparen, etwa bei den nach-amtlichen Bezügen. Und: „Es müssen doch nicht immer nur Alphatiere auf der Bühne sein“, wirbt er für sich, den „Sanftmütigen“. Mal sehen, wie er das der CSU verkauft: Dort stellt er sich am Samstag auf dem kleinen Parteitag vor. tan