Der Nebenparteichef
BERLIN - Hinter den Kulissen bastelt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier an seinem Image – und baut seine Macht aus. Schafft es SPD-Chef Kurt Beck, ihn als Kanzlerkandidaten zu verhindern?
Der Außenminister übt sich in Hausmannskost: Als Frank-Walter Steinmeier am Wochenende im ZDF bei den Köchen Johann Lafer und Horst Lichter zu Gast ist, wickelt er einen Brei aus Sellerie, Birnen und Nüssen in Schinkenröllchen und schnippelt Bratkartoffeln. Schulterklopfend kalauert er sich durch das Studio, immer wieder bricht dasselbe kehlig-dröhnende Wolfslachen aus ihm heraus, das man von seinem Mentor Gerhard Schröder noch im Ohr hat.
Unauffällig, aber ehrgeizig bastelt Steinmeier an seiner Karriere – vor allem als Kanzlerkandidat im Wartestand. Gleichzeitig unken Parteifreunde, dass er sich das abschminken kann, dass seine Chancen immer mehr zerrinnen. Der aktuelle „Spiegel“ zitiert anonyme „Spitzengenossen“, die eine Kanzlerkandidatur Steinmeiers unter Parteichef Kurt Beck „inzwischen für unwahrscheinlich bis ausgeschlossen“ halten. Die SPD bereite bereits eine Wahlkampagne vor, die ganz auf Beck zugeschnitten sei und eine deutlich linke Schlagseite habe.
Das Image des spröden Technokraten
Doch der 52-Jährige, der gerade selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Beliebtheitsumfragen überholt hat, macht unverdrossen weiter. Ob er im TV kocht, mit dem türkischen Sänger Muhabbet „Deutschla-ha-hand“ rappt oder der Kanzlerin vorwirft, mit dem Empfang des Dalai Lama Schaufensterpolitik zu betreiben: Steinmeier will das Image des spröden Technokraten abstreifen und zeigen, dass er auch den lässigen Frank geben und Zähne zeigen kann.
Im Auswärtigen Amt hat sich Steinmeier eine Nebenparteizentrale eingerichtet: Nach dem Rückzug Franz Münteferings holte sich der neue Vizekanzler Müntes Oberstrippenzieher aus dem Arbeitsministerium – unter Leitung von Staatssekretär Heinrich Tiemann kümmert sich die Strategie-Truppe um die Koordination der SPD-geführten Ministerien und Länder. In der eigenen Partei wird Steinmeier dafür nicht nur geliebt: Lästerzungen zischen, er sei ein Schönwetterpolitiker und Diplomatenfloskler, der bei Konflikten abtauche und Klartext vermeide.
Erst jetzt einen Wahlkreis gesucht
Und auch der angeschlagene, aber ausgebuffte SPD-Chef weiß um seinen Vorteil: Er sei „überzeugt, dass der Außenminister erfolgreiche Wahlkämpfe führen kann“, stichelte Beck – ein vergiftetes Kompliment angesichts der Tatsache, dass sich der Karrierebeamte Steinmeier noch nie dem Wahlvolk stellen, nie den Mief der Ortsvereins-Hinterzimmer einatmen musste. Und er ist in keinem Parteiflügel explizit zu Hause. Erst jetzt hat sich Steinmeier einen Wahlkreis gesucht, für den er 2009 in den Bundestag gewählt werden will – Brandenburg an der Havel, weit weg von seiner westfälischen Heimat Detmold.
Sorgen machen sich manche Genossen auch aufgrund etwaiger Altlasten des Kanzleramtschefs: Was wusste Steinmeier damals vom Privat-Engagement deutscher Soldaten in Libyen? Und welche Rolle spielte er rund um das Schicksal des in ein syrisches Foltergefängnis verschleppten Deutschen Mohammed Haydar Zammar?
Die Zeit läuft für ihn
Steinmeiers Popularität tut das bislang keinerlei Abbruch: Er kann in Ruhe abwarten. Die Zeit läuft für den erst 52-jährigen Juristen und beliebtesten Politiker im Lande. Die meisten Deutschen wollen ihn im Rennen gegen Merkel sehen, nicht Beck oder Steinbrück, erst recht nicht Wowereit, Gabriel oder Nahles. Und wenn es diesmal nicht klappt, dann vielleicht nächstes Mal.
Wenn sich Steinmeier jetzt auch noch – wie im bayerischen Kommunalwahlkampf bereits getestet – von den drögen Manuskripten seiner Beamten löst, könnte der Tischlersohn vielleicht doch mit SPD-Ahnvater Willy Brandt gleichziehen: Auch der war Außenminister und Vizekanzler einer großen Koalition – ehe er 1969 Kanzler wurde.
Markus Jox