Der harte Präsident
Washington Es ist nicht ein großer Tag, es sind zwei. Es wird gesungen und getanzt. Die USA inszenieren die Amtseinführung ihres Präsidenten gern groß. Doch nicht nur die Feiern sind anders diesmal – weil der traditionelle Amtseinführungstag auf einen Sonntag fällt: Die Stimmung ist anders. Barack Obama ist anders. Schluss mit dem netten „Mr. Nice Guy“. Obama wird hart.In seiner zweiten Amtszeit, die am Sonntag offiziell beginnt, sucht er den Konflikt. Es wird spannend, ob das die richtige Strategie ist, und ob er gewinnen wird.
Die noch immer größte Macht der Erde hat nicht nur den ersten schwarzen Präsidenten. Sie hat den ersten schwarzen wiedergewählten Präsidenten. Die Wahl von 2008 war kein Betriebsunfall eines geschlossenen Systems. Die Wahl war Abbild einer Gesellschaft im Wandel und Resultat einer erfolgreichen Kampagne. Sie war eine Bestätigung. Sie gibt dem 51-jährigen Harvard-Professor aus Chicago Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Obama hat gleich gezeigt, wie sich das auswirkt.
Als der Massenmörder die Kinder von Newtown abschlachtete, da hatte Obama Tränen in den Augen. Es waren auch Tränen der Wut: „Ich werde alles in meiner Macht tun, damit sich solche Verbrechen nicht wiederholen.“ Er will Sturmgewehre verbieten und Magazine mit mehr als zehn Schuss.
"Feige und niederträchtig"
Die Waffenlobby verstand das als Provokation und reagierte wie immer. Mit der Forderung nach noch mehr Waffen und der Ablehnung jeder Einschränkung. „Seine eigenen Kinder lässt er von bewaffneten Sicherheitskräften beschützen, andere Kinder nicht.“ Das Weiße Haus reagiert wütend: „Feige und niederträchtig“ sei es, die Kinder des Präsidenten in die politische Auseinandersetzung zu ziehen.
Anders als oft in seiner ersten Amtszeit knickte Obama nicht beim ersten Widerstand ein. „Ich bin nicht an politischem Hickhack interessiert“, sagte er „Ich will wissen, was wirkt.“ Um neue Initiativen im mehrheitlich waffenfreundlichen Kongress nicht zu gefährden, will Obama seine Machtbefugnisse ausreizen. Bundesbehörden sollen den psychischen Gesundheitszustand von Waffenkäufern überprüfen, der Import solcher Waffen sollen verboten werden.
Drohung mit Impeachment
Die Waffenlobby schäumt. „Ich werde Maßnahmen zur Amtsenthebung einleiten, wenn Obama das Waffenrecht antastet “, sagt der neue republikanische Kongressabgeordnete Steve Stockman aus Texas. Einem solchen „Impeachment“-Verfahren hatten sich Richard Nixon und zuletzt Bill Clinton wegen der Sex-Affäre mit Monica Lewinsky gegenüber gesehen.
Und der Showdown geht weiter: „Die Republikaner halten den Amerikanern eine Waffe an die Schläfe“, sagte Obama vergangene Woche. Dabei ging es um das Megathema, das Haushaltsdefizit, bei dem sich beide Seiten unversöhnlich gegenüberstehen.
Bis zum März haben Kongress und Präsident Zeit, den Konflikt beizulegen. Obama will die Staatseinnahmen erhöhen, die Steuern für die Reichen anheben. Die Republikaner wollen Staatsausgaben streichen. Kommt es zu keiner Einigung, kann der Staat seine Löhne, Gehälter und Renten nicht mehr auszahlen. Eine Zahlungsunfähigkeit der USA würde in der ganzen Welt zu spüren sein.
"Kein Lösegeld"
„Die Republikaner werden kein Lösegeld für ihr Einlenken bekommen“, sagt Obama. „Lösegeld“ – „Waffe an der Schläfe“: So redet man nicht über einen Partner, mit dem man die Einigung sucht. So redet man mit einem Gegner, mit einem Feind. „Das Volk will keine höheren Steuern und keine höheren Staatsausgaben“, konterte John Boehner, Sprecher der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus. Eine Kompromisslinie ist nicht in Sicht.
Viele von Obamas demokratischen Parteifreunden drängen den Präsidenten, seine Macht einzusetzen, unterstützen ihn bei seiner harten Tour. Andere sind skeptischer. Die durchaus Obama-freundliche New-York-Times-Kolumnistin Maureen Dowd kritisiert beim Präsidenten „Schwächen da, wo jeder dachte, dass er stark sei: Verhandeln, Werben für eine Sache, Mobilisieren, Kommunizieren“. Fast ungläubig registriert sie: „Vier Jahre hat das Weiße Haus gebraucht, um eine Botschaft zu formulieren: Zahlt Eure Rechnungen.“
Er wirkt manchmal arrogant
Obama hat nicht nur ein Autoritätsproblem. So gut er beim Volk ankommt: Im kleinen Kreis wirkt er abhoben, und manchmal arrogant. Das sagen nicht nur politische Gegner. Kamingespräche, Hinterzimmer-Deals, Kungelrunden verabscheut er. Moralisch verständlich, politisch ist es hinderlich.
Aber Obama sieht sich im Vorteil. Die Republikaner sind geschwächt, und im Kampf gegen die Waffenlobby setzt Obama auf die öffentliche Stimmung. Doch Obama-Freundin Dowd schreibt so nüchtern wie deutlich: „Niemand erwartet eine substantielle Verschärfung unserer absurd laxen Waffengesetze.“ Obama mag Recht haben. Aber Recht bekommen ist was anderes, auch für den Präsidenten der USA. Matthias Maus