Der gefallene Held: Die Obamania ist vorbei
Obamas Pläne für die Gesundheit und den Klimaschutz stehen vorm Scheitern. Die Amerikaner bestrafen ihn mit Liebesentzug, "noch nie ist ein neu gewählter US-Päsident so schnell gefallen".
Sein pompöser Amtsantritt vor einem dreiviertel Jahr? Vergessen. Die Modeschauen seiner Frau Michelle und seiner Töchter Malia und Sasha? Vorbei. Der Hund „Bo“, der öffentlichkeitswirksam ins Weiße Haus einzog? Längst verdrängt.
Barack Obama steckt in der Krise: Alle Reformen, die der US-Präsident vor seinem Amtsantritt angekündigt hat, sind in Gefahr. Ganz Amerika streitet jetzt über seine Ziele. Seine Umfragewerte sind abgestürzt. Glamour-Faktor allein zieht nicht mehr. Die AZ erklärt die verzwickte Lage des US-Präsidenten.
Die Gesundheitsreform: Obama will in den USA ein staatliches Gesundheitssystem – das vergleichbar ist mit dem deutschen – einführen. Doch was für Deutsche selbstverständlich ist, sorgt in Amerika für heftige Diskussionen: Zehn Billionen Dollar würde die Einführung gesetzlicher Kassen den Staat nach Schätzung des US-Kongresses in den kommenden zehn Jahren kosten. Das Kosten-Argument zieht in Zeiten leerer Staatskassen. Doch nicht nur das: Die oppositionellen Republikaner bezeichnen Obama quasi als Kommunisten, der in sozialistischer Manier den Staat beeinflusst. Obamas Problem: Viele seiner Demokraten müssen sich im kommenden jahr wieder zur Wahl stellen und laufen jetzt zu den Republikanern über. Linke Parteifreunde Obamas nageln den Präsidenten jedoch auf seine Forderung fest und sind zu keinen Kompromissen bereit.
Gestern hat Obama seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen: Vor dem US-Kongress wollte er noch einmal für seine Reform werben. „Noch in diesem Jahr wollen wir etwas hinbekommen“, hatte er kurz vorher gesagt. Und auch angedeutet, dass er zu Kompromissen bereit sei. Wie auch immer diese Kompromisse aussehen: Obama vergrätzt entweder seine linken Parteifreunde – oder er bringt die Reform-Gegner gegen sich auf.
Der Afghanistan-Einsatz: Obama hat von einem „Krieg der Notwendigkeit, nicht der Wahl“ gesprochen. Aber trotz seiner „neuen Strategie“ mit mehr Truppen und mehr Offensive steigt die Zahl der in Afghanistan getöteten Amerikaner an. Die Befehlshaber fordern mehr Truppen, in den USA wächst die Angst vor einem neuen Vietnam - vor einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist, in den Amerika aber immer stärker hineingezogen wird. Es gibt immer mehr Politiker, die den Rückzug aus Afghanistan fordern.
Der Klimaschutz: Obama hatte vor seiner Wahl versprochen, dass er den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 auf den Stand von 1990 zurückfahren will, bis 2050 sollte der Ausstoß um weitere 80 Prozent verringert werden. Doch auch Klimaschutz ist in Amerika kein so schickes Thema wie in Europa: Die US-Wirtschaft wehrt sich gegen Begrenzungen und findet wieder in den Republikanern Unterstützer. Und wieder kippen die Demokraten um: Obamas Parteifreunde haben die Debatte über Obamas Klimaschutzgesetz verschoben. Aus Angst vor wütenden Wählern.
Die Umfragen: Bei seinem Amtsantritt gaben 72 Prozent der Amerikaner Obama gute Noten. Jetzt ist nur noch ein bisschen mehr als die Hälfte mit ihm zufrieden. „Alle Präsidenten fallen vom Flitterwochen-Hoch herunter, aber noch nie ist ein neu gewählter US-Päsident so schnell gefallen“, kommentiert die „New York Times“.