Der erste Politiker muss gehen

Ein privater Skandal und Versagen im Amt wird dem Regierungschef zum Verhängnis. Wird die Finanzkrise nun zur Job-Falle für Spitzenpolitiker? Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt zumindest stolpert darüber.
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Mundwinkel nach unten: Georg Milbradt (63) spricht von „geordnetem Übergang, tatsächlich zieht er Konsequenzen aus der mitverschuldeten Krise seiner Landesbank.
AP Mundwinkel nach unten: Georg Milbradt (63) spricht von „geordnetem Übergang, tatsächlich zieht er Konsequenzen aus der mitverschuldeten Krise seiner Landesbank.

Ein privater Skandal und Versagen im Amt wird dem Regierungschef zum Verhängnis. Wird die Finanzkrise nun zur Job-Falle für Spitzenpolitiker? Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt zumindest stolpert darüber.

Von Volker ter Haseborg

So selbstlos können nur Politiker ihren Rücktritt verkaufen: „Ich habe die Entscheidung meiner Amtsübergabe getroffen“, erklärt Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt gestern, „weil mir ein geordneter und harmonischer Übergang besonders wichtig ist – und um Verletzungen zu vermeiden – bei mir und bei anderen.“ Hinter ihm in der Staatskanzlei stehen Blumen. Sie wirken wie ein Trauerkranz. Der 63-Jährige lächelt abwesend. Die Szene ist gespenstisch.

Geordnet und harmonisch ist es in Milbradts Dresdner Staatskanzlei in den vergangenen Monaten kaum zugegangen. Und auch der kuschelige Wunsch, künftige Verletzungen vermeiden zu wollen, offenbart, dass der CDU-Politiker den Sinn für die Realität verloren hat. Denn sein Ruf ist längst ramponiert.

Mit dem für Ende Mai angekündigten Rücktritt wird deutlich: Die Finanzkrise wird zur Job-Falle für Spitzenpolitiker. Denn Milbradt stürzte, weil er in Affären der Sächsischen Landesbank verstrickt war.

Der Reihe nach:

Volkswirtschafts-Professor Georg Milbradt ist in den 90er Jahren einer der Gründer der Sächsischen Landesbank. Als Finanzminister, der er bis zum Amtsantritt als Ministerpräsident 2001 ist, ist er Verwaltungsrats-Chef der Bank. Ende der 90er Jahre fängt die SachsenLB damit an, über eine irische Tochtergesellschaft am internationalen Immobilienmarkt zu spekulieren. Ein Großteil des Gewinns stammt aus den riskanten US-Kreditgeschäften.

Dann kommt die Finanzkrise: Mitte August steht die Bank vor dem Zusammenbruch, Finanzexperten beziffern mögliche Ausfälle auf über 40 Milliarden Euro. Milbradt organisiert einen Not-Verkauf der SachsenLB an die baden-württembergische LBBW. 2,75 Milliarden Euro Steuergeld muss er als Landesbürgschaft bereitstellen. „Es musste sehr schnell und beherzt gehandelt werden“, sagte Milbradt gestern. Er habe damals Jobs gerettet.

Er wusste von der Zockerei

Zum Verhängnis wird Milbradt der Untersuchungsausschuss, den die Opposition im Dresdner Landtag einsetzt. Es kommt heraus, dass er von den Finanz-Zockereien gewusst hat. Er hatte sogar vorgeschlagen, die Risiko-Geschäfte noch auszuweiten. Milbradt behauptet stets, von nichts gewusst zu haben. Dann kann nachgewiesen werden, dass er schon frühzeitig von den Milliarden-Verlusten Kenntnis hatte. Auch, dass er stets in Kontakt zu Landesbank-Insidern hatte.

Vor einer Woche kam heraus: In den 90er Jahren erhielten Milbradt und seine Frau von der Staatsbank Kredite von knapp 172000 Euro, um sich damit an Fonds-Produkten einer SachsenLB-Tochter zu beteiligen. Als Chef des Verwaltungsrats der Bank hatte Milbradt den Deal abgesegnet. Obwohl unklar ist, ob er gegen Amtsvorschriften verstoßen hat, ist klar: Die Sache stinkt.

Ihm weint keiner nach

Mit seinem gestrigen skurrilen Auftritt beendet Milbradt nach sieben Jahren seine Karriere als Ministerpräsident. So richtig traurig ist niemand: Wegen der Skandale waren Milbradts Umfragewerte mies. Die Parteispitze in Berlin zeigte sich in den vergangenen Wochen besorgt über Milbradts Verstrickung in die Affären. Nun wird Noch-Finanzminister Stanislaw Tillich (49) neuer Ministerpräsident in Sachsen.

„Ich danke Ihnen allen sehr!“, sagt Georg Milbradt gestern. Auf dem Weg nach draußen kommt er am Portraitfoto seines Vorgängers vorbei: Kurt Biedenkopf. Der musste 2001 gehen, weil er seine Putzfrau aus der Staatskasse bezahlte und weil er und seine Gattin Ministerpräsidenten-Rabatt bei Ikea haben wollten. Mit dem Geld haben sächsische Landesfürsten ein Problem, irgendwie.

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