Der Comandante kann nicht mehr
Fast 50 Jahre hielt er die Welt in Atem, er ist eine der schillerndsten politischen Figuren überhaupt, wurde zum Mythos. Jetzt ist Fidel Castro, der lebenslange Revolutionär, zurückgetreten.
VON JOHANNES LIEBERER
Er kann nicht tanzen – konnte es noch nie, auch nicht, als es ihm noch besser ging. Rum, das Nationalgetränk, trinkt er nur mäßig, und die Zigarre fasst er seit zwei Jahrzehnten nicht mehr an. Nein, er ist kein „typischer“ Kubaner. Und doch ist Fidel Castro zu einem Symbol der Insel geworden, zu einer der schillerndsten politischen Figuren der Welt, und zu einem Mythos – fast fünf Jahrzehnte lang. Am Dienstag ist er, der lebenslange Revolutionär, zurückgetreten.
Die elf Millionen Kubaner erfuhren es beiläufig – zwischen der Nachricht vom Besuch des ghanaischen Vizepremiers und den Serben, die gegen die Unabhängigkeit Kosovos protestieren, meldete die gleichgeschaltete Nachrichtenagentur „Prensa latina“ die Nachricht: Niemand solle ihn bei der am Sonntag im Parlament anstehenden Wahl vorschlagen, sagte Fidel Castro da: „Ich werde das Amt des Präsidenten und des Oberkommandierenden weder anstreben noch akzeptieren.“
Der Körper macht nicht mehr mit
Große Gesten, grandiose Bilder und griffige Symbole sind „Fidel“, wie ihn Millionen Kubaner und Millionen linke Fans weltweit nennen, immer wichtig gewesen. Fünfzig Jahre an der Macht, fünf Jahrzehnte überlebt im Kampf der Systeme, das wäre so ein Symbol geworden. 2009 wäre es soweit gewesen, dann ist der triumphale Einzug der bärtigen Männer um den jungen Castro in Havanna ein halbes Jahrhundert her. Doch der Körper des 81-Jährigen macht das nicht mehr mit, der Comandante kann nicht mehr, und seine Nachfolger haben das Ruder bereits übernommen.
So ganz überraschend ist der Rückzug nicht, schon im Sommer 2006 übergab der „Maximo Lider“ seine Ämter seinem vier Jahre jüngeren Bruder Raul. Öffentlich aufgetreten ist Fidel seitdem nicht mehr, weder bei seinem 80. Geburtstag noch bei den Revolutionsfeiern im Juli, wo er seine gefürchteten Sieben-Stunden-Reden zu halten pflegte.
Auf Augenhöhe mit den Weltmächten
Fidel Castro zeigte sich seitdem nur noch im Adidas-Trainings-Anzug und im Krankenbett, seine bemühten Demonstrationen der Beweglichkeit wirkten eher peinlich. Zwar ließ er sich mit seinem „Erben“, Venezuelas Staatspräsident Hugo Chavez, feiern, diese letzten Auftritte gehören nicht zu den ruhmreichen des berühmtesten lebenden Rebellen. Der Sohn spanischer Einwanderer, der mit den Weltmächten auf Augenhöhe stand, ist ein bedauernswerter alter Mann.
Begonnen hat die erstaunliche Karriere des Jesuiten-Zöglings 1953. Mit einer Handvoll Gleichgesinnter versuchte Castro den Sturm auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. Die Truppen des Diktators Batista, der die Insel zur Beute der US-Fruchtkonzerne und der Glücksspielmafia gemacht hatte, schlug die Revolte nieder. Der junge Rechtsanwalt Castro wurde gefasst und zu 22 Jahren Zuchthaus verurteilt. In seiner Verteidigungsrede ließ er durchblicken, dass er sich schon damals als historische Figur begriff: „Die Geschichte wird mich freisprechen.“
Der Schrecken der USA, der Liebling der Sowjets
Sechs Jahre später hatte er mehr Erfolg. Inzwischen begnadigt, stürzte er mit seinem Bruder, mit Che Guevara und einem Haufen Revolutionären tatsächlich das Batista-Regime. Der Schrecken der USA wurde zum Liebling der Sowjets. In der Hochphase des Kalten Kriegs schickte Kreml-Chef Chruschtschow Atom-Raketen. In der folgenden Kuba-Krise 1962 stand die Welt am Rand des Atomkriegs und Castro auf Augenhöhe mit Kennedy und seinem Widersacher in Moskau.
Die Russen zogen die Raketen schließlich ab, im Gegenzug verzichteten die USA auf weitere Invasionen der Insel. Was die CIA allerdings nicht hinderte, Castro nach dem Leben zu trachten, 30 Attentate sind dokumentiert, von 600 spricht Castros Geheimdienst.
Ein Leben wie eine Agentengeschichte
Geheime Überfälle oder vergiftete Zigarren, zahllose angebliche Frauengeschichten und Affären: Castros Leben liest sich wie eine Agentengeschichte, wie gemacht für eine Kultfigur – zumindest im Ausland. Dort sieht man gerne die Erfolge wie Gesundheitsvorsorge oder der Bildung der elf Millionen Kubaner. Weniger gerne wird von 12000 Hinrichtungen geredet, vom eisernen Griff der Staatsicherheit, vom Los der Regimegegner, von den zwei Millionen, die vor seinem Regime flüchteten.
Castro, das hat seinen Mythos weiter genährt, hat auch das Ende seiner Gönner überlebt. Als die Sowjetunion sich auflöste, da schien der „socialosmo tropical“ auch am Ende. Doch Castro reagierte geschickt und sicherte sich mit Freigabe des Dollars als Währung und ein paar Lockerungsübungen das Überleben. In den letzten Jahren profitierte Castro von einem Links-Trend in Südamerika, dem Kontinent, der einst Synonym war für rechte Militär-Diktaturen. Ausgesprochener Glücksfall dabei war der Aufstieg des Populisten Hugo Chavez in Venezuela, der nicht nur links ist, sondern auch Geld hat. Petrodollars nämlich, mit denen er auch Castros Zuckerinsel alimentiert. Chavez und sein bolivianischer Kollege Evo Morales zeigen sich gerne mit Castro.
Zehn US-Präsidenten politisch überlebt
Für seine linken Fans in aller Welt kann Castro wenig falsch machen. Sie sympathisieren mit dem David, der sich mit dem Goliath im Norden nimmermüde anlegt, und der mittlerweile zehn US-Präsidenten hat kommen und gehen sehen. Von Eisenhower bis Bush jr, alle waren offen feindselig, keiner konnte ihn besiegen.
Was die Weltmacht im Norden nicht schaffte, vollbringt das Alter. Im Juli 2006 unterzog er sich einer Operation. Was genau ihm fehlt, wurde nie bekannt, aber auch die restriktive Öffentlichkeitsarbeit täuscht nicht über den Ernst seines Gesundheitszustands.
Nur noch der Geist der Revolution
Zwar äußert er sich noch in langen Zeitungsartikeln zu Themen der Zeit, aber seit dem gestrigen Rücktritt ist der einstige Sportler höchstens noch der Geist der Revolution.
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