Der Chef weilt in China: Ein FDP-Mann regiert Bayern
MÜNCHEN/PEKING - Achtung! Bayern wird nicht mehr von einem CSU-Mann regiert – zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert. Ein Liberaler aus Gauting sitzt seit Sonntagabend, 19.45 Uhr, auf dem weiß-blauen Gipfel.
Fünf Tage lang, bis Freitag um 17.55 Uhr, ist FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil Regierungschef. Dann landet Ministerpräsident Horst Seehofer von seiner China-Reise wieder in München, zu der er am Sonntag mit Ehefrau Karin verspätet gestartet ist.
Noch im Sommer hatte der Oberbayer seinen liberalen Stellvertreter als „unfähig“ und „überfordert“ beschimpft und geklagt: Er müsse täglich auch noch den Wirtschaftsminister in Bayern machen. Und jetzt? Jetzt muss der Wirtschaftsminister glatt den Ministerpräsidenten machen. Als Koalitionspartner ist Zeil nämlich Seehofers Vize.
Was mag da im Kopf des CSU-Regenten umgehen, wenn er heute Mittag um 11.20 Uhr Ortszeit in Peking gelandet ist? Kann er sein Bayern wirklich der FDP überlassen? „Der Staat ist nicht das Eigentum der CSU“, hatte Seehofer kürzlich schwadroniert. Doch so einfach überlassen will er ihn anderen auch nicht.
Während Edmund Stoiber dauernd auf Achse war, fällt es dem Ingolstädter schwer, sein Land zu verlassen. Bereits für November war die Reise geplant. Seehofer verschob den Termin. Fünf Monate später nun der neue Anlauf. Auch diesmal wurde die Reise hin- und hergeschoben – zuletzt auf Freitag, den 23. April.
Ein Abstecher nach Schanghai zur Expo wurde gestrichen, weil die Staatskanzlei nicht genug Eintrittskarten bekam. Prominente politische Gesprächspartner waren auch noch nicht gefunden. Dann kam die Vulkanasche dazu und die in Afghanistan gefallenen Soldaten. Die Trauerfeier wollte der Ministerpräsident auf keinen Fall schwänzen.
Wirtschaftsminister Martin Zeil bearbeitete ihn, nun aber endlich zu fliegen: Die Wirtschaftsbeziehungen zu China seien zu wichtig. Morgen ist Kabinettssitzung. Die wird nun erstmals von einem FDP-Mann geleitet. „Ich werde das ganz geschäftsmäßig abhandeln“, sagt Zeil. „Das ist auch nichts anderes wie in Berlin, wenn der Vize-Kanzler Guido Westerwelle Bundeskanzlerin Angela Merkel vertritt.“
Angela Böhm