Der Aufstand der Hausärzte

Bayerns Mediziner fordern mehr Geld. Tausende Ärzte drohen mit einer Rückgabe der Kassenzulassung. Müssen Patienten bald bar bezahlen?
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Will seine Zulassung zurückgeben: Hans-Joachim Willerding,
Gregor Feindt Will seine Zulassung zurückgeben: Hans-Joachim Willerding,

Bayerns Mediziner fordern mehr Geld. Tausende Ärzte drohen mit einer Rückgabe der Kassenzulassung. Müssen Patienten bald bar bezahlen?

MÜNCHEN. Seit 20 Jahren ist Hans-Joachim Willerding (57) Arzt in München. Jetzt will der Allgemeinmediziner seine Zulassung zurückgeben. „Die Rahmenbedingungen für meine Arbeit sind unerträglich“, sagt er zur AZ. Willerding ist nicht allein: Der Bayerische Hausärzteverband, dem der Arzt angehört, will in einer bundesweit einmaligen Aktion geschlossen aus der gesetzlichen Krankenversicherung aussteigen. Die Organisation hat die 9000 Hausärzte Bayerns aufgerufen, ihre Kassenzulassung bei einer Groß-Demo in Nürnberg am nächsten Mittwoch zurückzugeben.

Warum rebellieren die Hausärzte?

„Ich kann die Kosten meiner Praxis mit den Einnahmen nicht mehr decken“, sagt Willerding. Die Betriebskrankenkassen zahlen ihm pro Patient 15 Euro im Monat. „Um adäquat arbeiten zu können, müsste ich pro Patient 85 Euro einnehmen.“

Wem geben die Ärzte die Schuld?

Der Politik: Der Gesundheitsfonds bedeutet noch einmal 30 Prozent weniger Einkommen, kritisiert Willerding. Auch sehen sich die Mediziner von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht gut vertreten: Die KV verhandelt mit den Kassen die Honorare und verteilt diese nach einem staatlich eingeführten Punktesystem. „Die KV ist der verlängerte Arm des Gesetzgebers“, kritisiert Wolfgang Hoppenthaller, Chef des Bayerischen Hausärzteverbands.

Was ist das Ziel der Hausärzte?

Sie möchten direkt mit den Kassen über Honorare verhandeln. Außerdem wollen sieein eigenes Streikrecht. „Wenn die Kassen uns aushungern lassen wollen, werden wir schnell bereit sein, unsere Praxen für eineWoche zuzusperren“, droht Hausärzteverbands-Chef Hoppenthaller.

Unter welcher Bedingung können die Mediziner aussteigen?

Das System kippt, wenn die flächendeckende Versorgung mit Ärzten nicht mehr gewährleistet ist. Per Gesetz wäre das soweit, wenn mehr als die Hälfte der Hausärzte in Bayern die Zulassung zurückgibt. Der Hausärzteverband steigt aus, wenn mehr als 70 Prozent der Ärzte in einer Region mitmachen.

Welche Auswirkungen hat der Ärzte-Aufstand für Patienten?

„Wir behandeln ganz normal weiter“, sagt der Münchner Arzt Willerding. „Die Rechnung stellen wir an die Kassen.“ Das gilt aber nur für den Fall, dass der Plan der Hausärzte aufgeht. Wenn aber das alte System bleibt und die Mediziner trotzdem ihre Zulassung abgeben, wird’s für Patienten teuer: „Wenn ein Arzt seine Kassen-Zulassung zurückgibt, wird er ein reiner Privat-Arzt“, sagt Axel Munte, Chef der KV Bayern, zur AZ. Das heißt: Wer danach weiter zum Hausarzt geht, muss in den eigenen Geldbeutel greifen – Kassen erstatten nichts.

Wie reagierten Politiker und Versicherungen?

Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) warnte die Ärzte davor, „die Solidarität mit Älteren und Kranken und deren medizinische Versorgung zu gefährden“. Der Chef der AOK Bayern, Helmut Platzer kritisierte: „Hier liegen die Honorare 20 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt.“

Was passiert, wenn der Aufstand scheitert?

Dann haben die Aussteiger ein Problem: Ihre Zulassung ist für sechs Jahre weg. Die KV wäre dazu verpflichtet, die frei gewordenen Stellen nachzubesetzen. „Es gibt viele Ärzte in ganz Europa, die gerne nach Bayern wollen“, sagt KV-Chef Munte. Er warnt die Hausärzte: „Wenn die Ärzte die Zulassung zurückgeben, sind die Existenzen von vielen Familien gefährdet.“
Volker ter Haseborg

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