Der ACTA-Streit – darum geht’s
Aus der Union gibt’s Schelte für die Bundesjustiz- Ministerin. Die hatte die Unterschrift unter das Anti-Piraterie-Abkommen verweigert. Was das bedeutet, wie es jetzt weitergehen könnte
BERLIN - Das ACTA-Abkommen hat am Wochenende nicht nur mehr als 110000 Menschen in Deutschland auf die Straßen getrieben – es sorgt jetzt auch für Koalitionsstreit. Nachdem Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Unterschrift unter das Abkommen verweigert hat, bekommt sie Schelte aus der Union. Doch – worum geht es bei ACTA überhaupt?
Was heißt ACTA und was soll es? Die Buchstaben stehen für „Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement“, zu deutsch: Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen. Mit dem Abkommen soll Produktpiraterie bekämpft und geistiges Eigentum geschützt werden – und zwar besonders im Internet.
Warum sorgt ACTA für so große Kritik? Der Vertrag sieht unter anderem vor, dass Internet-Provider Daten wie die IP-Adresse herausrücken sollen, um Personen bei Verstößen gegen das Urheberrecht identifizierbar zu machen. Auch sollen die Provider für das Tun ihrer Nutzer haftbar gemacht werden können. Denkt man das weiter, müssten die Provider ihre Nutzer stärker überwachen, um sich selbst vor juristischer Verfolgung zu schützen. Damit läge am Ende die Regulierung der Meinungsfreiheit in den Händen von Konzernen, fürchten die Kritiker.
Außerdem sei ACTA viel zu weit gefasst. Es erschwere unter Umständen sogar die Bekämpfung von Aids und anderen Krankheiten in der Dritten Welt, mahnt das „Aktionsbündnis gegen Aids“: Billige, bisher legale Generika könnten unter ACTA womöglich nicht mehr in Entwicklungsländer exportiert werden.
Wie liefen die Verhandlungen? Auch das ist ein Kritikpunkt: Sie liefen heimlich, still und leise. Seit 2006 wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Ebene der EU-Minister verhandelt. Mitte Januar hat der EU-Rat ACTA zugestimmt – seltsamerweise während einer Sitzung des Fischereiausschusses. Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses im EU-Parlament, Kader Arif, war so sauer darüber, dass er seinen Posten hinwarf.
Was sagen die Befürworter? Raubkopien, Patentverletzungen und Fälschungen verursachten der Industrie jährlich Milliardenschäden, sagen die ACTA-Unterstützer. Der Hauptgeschäftsführer des Markenverbands, Christian Köhler sagt: „ACTA ist von hoher Bedeutung für die EU-Staaten, die ihren Wohlstand größtenteils aus dem Wissen und der Kreativität ihrer Bürger und nicht aus Rohstoffen beziehen.“
CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach findet: „Was im realen Leben verboten ist, das Kopieren fremden geistigen Eigentums, muss auch im virtuellen Leben verboten sein.“ Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, das Abkommen ändere nichts an dem, was ohnehin schon in deutschen und europäischen Patent- und Urheberrechtsgesetzen steht. Auch Netzsperren seien nicht vorgesehen.
Wie geht’s jetzt weiter? Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat zwar nicht unterschrieben – aber die Unterschrift ist nur aufgeschoben. Zuerst will sie von der EU-Kommission nähere Angaben über mögliche rechtliche Auswirkungen von ACTA. Und dann muss das Abkommen noch durchs EU-Parlament. Hier hat Präsident Martin Schulz (SPD) schon Widerstand angekündigt.