Der absolute König

Seehofer ist wieder Ministerpräsident. Ein TV-Team der Satire-Show „extra 3“ rückt sogar mit Königskrone an. Doch: Ein Getreuer hat ihm die Stimme verweigert. Alle rätseln: Wer war’s?
von  Angela Böhm

Seehofer ist wieder Ministerpräsident. Ein TV-Team der Satire-Show „extra 3“ rückt sogar mit Königskrone an. Doch: Ein Getreuer hat ihm die Stimme verweigert. Alle rätseln: Wer war’s?

MÜNCHEN Kein Lächeln huscht über sein Gesicht. Wie versteinert hört Horst Seehofer zu, als Landtagspräsidentin Barbara Stamm das Ergebnis seiner Wahl verkündet. Ungerührt nimmt er es zur Kenntnis. Mit genau hundert Stimmen wurde er zum 10. Ministerpräsidenten Bayerns seit Ende des Weltkriegs gewählt. Eine Stimme fehlt. Das wurmt ihn.

Seine eigene ist es nicht. Noch kurz vor der Wahl hat er verkündet, er werde sich selber wählen: „Sicher ist sicher.“ Einer aus seiner Fraktion hat ihm, dem Alleinherrscher, der der CSU die absolute Mehrheit zurückgebracht hat, also die Gefolgschaft verweigert. Besser, als 2008, da fehlten ihm vier Stimmen. Aber damals musste ihn eine schwarz-gelbe Koalition wählen. Doch besser reicht König Horst nicht. Er will jetzt alles optimal. Und das war’s nicht.

Sofort beginnt die Suche nach dem Verräter. Wer war die eine Stimme? Der Verdacht fällt auf Erwin Huber. Von ihm ist der Satz überliefert, noch am Totenbett würde er die Hand heben, wenn es gelte, Seehofer zu verhindern. Es ist eine alte Feindschaft. Beim ersten Anlauf an die Spitze der CSU war Seehofer Huber als Parteichef unterlegen. Nach der desaströsen Landtagswahl 2008 musste Huber gehen und die Parteispitze für Seehofer räumen.

„Ich war’s nicht“, schwört er glaubhaft. „Ich kann nicht Wahlkampf für die CSU machen und dann Seehofer meine Stimme verweigern. Das könnte ich vor meinen Wählern doch gar nicht verantworten“, versichert Huber. Andere haben ihn genau beobachtet: „Der hat so begeistert geklatscht“, sagt einer. „Der kann’s nicht gewesen sein.“

Namen werden durchgehechelt und wieder verworfen. „Wahrscheinlich war’s einer aus der Verwandtenaffäre, der sich geärgert hat, weil er eine Menge Geld zurückzahlen musste, heißt es am Ende.

Dabei sollte es für Seehofer der ganz große und perfekte Tag werden. Seine ganz Familie hatte er diesmal mitgebracht. Nicht nur Ehefrau Karin mit Sohn Andreas und Tochter Susanne begleiten ihn. Auch seine drei Jahre ältere Schwester Christa Wolz mit Ehemann Herrmann und sein Bruder Dieter mit Ehefrau Christine sind diesmal mitgekommen. „Es ist ja voraussichtlich das letzte Mal, das er vereidigt wird“, erklärt Karin Seehofer die Familienpräsenz.

„Ich werde mit voller Kraft, wie bisher auch, nach bestem Wissen und Gewissen die vollen nächsten fünf Jahre für die Zukunft Bayerns arbeiten“, stellte Seehofer mit Blick auf seine Nachfolger gleich nach seiner Wiederwahl klar.

Vor der hatte er im Landtag noch einen großen Haken schlagen müssen. Der Norddeutsche Rundfunk ist mit einem Team seiner Satiresendung „extra 3“ und einer goldenen Königskrone auf einem roten Samtkissen in den Bayerischen Landtag gekommen.

„Vorsicht, da läuft einer mit einer Krone rum“, flüstert CSU-Sprecher Jürgen Fischer seinem Chef ins Ohr. Dann geht alles ganz schnell. Der Sprecher der Staatskanzlei, Rainer Riedl, blockt gemeinsam mit einem Bodyguard den öffentlich-rechtlichen Kronen-Verleiher Tobias Schlegl ab. Der schreit Seehofer nach: „Nehmen Sie die Krone, Sie sind der verrückteste König Deutschlands!“ Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause nennt ihn nach seinem Amtseid den „absoluten Horst“.

Der Ministerpräsident, der so gerne Spaß macht, versteht da keinen. Er lästert lieber über seine Noch-Sozialministerin Christine Haderthauer. Die könne nicht Heimatministerin werden: „Die kommt ja aus Quickborn.“ Markus Söder ruft er demonstrativ zu: „Herr Finanzminister!“ Der dreht sich um und kontert trocken: „War das eine Statusbeschreibung oder eine Perspektive?“

 

Seehofers  Zettelwirtschaft mit der Kabinettsliste

Aus seiner Jackett-Tasche zieht er einen kleinen Zettel, der mit winzigen Buchstaben beschrieben ist. „Da steht alles drauf“, zeigt Seehofer auf seine Kabinettsliste, so dass niemand etwas entziffern kann. Dann steckt er sie in seine Brusttasche.

Die geheime Liste hat er am Montag daheim in Ingolstadt auf dem Esstisch angefertigt und dann liegen lassen. „Er hat mich aus München angerufen und gesagt, schau sie ja nicht an und leg den Zettel auf meinen Schreibtisch“, erzählt Karin Seehofer.

Einen winzigen Blick aber hat sie doch drauf geworfen: „Da waren so Namensspiele drauf“, verrät sie.

„Das war der einzige Fehler, der in den vergangenen Monaten passiert ist“, sagt Seehofer.

Am heutigen Mittwoch um 16 Uhr präsentiert er sein neues Kabinett der CSU-Fraktion.

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