Demonstrant riss Greta das Mikrofon aus der Hand: Steht "Fridays for Future" vor dem Aus?

Nach umstrittenen Äußerungen von Greta Thunberg könnte sich "Fridays for Future Deutschland" bald von ihr abspalten
von  Alexander Spöri
Bei einer Kundgebung in Amsterdam hat Klimaaktivistin Greta Thunberg für Aufregung gesorgt.
Bei einer Kundgebung in Amsterdam hat Klimaaktivistin Greta Thunberg für Aufregung gesorgt. © IMAGO/Richard Wareham (www.imago-images.de)

München - Sie ist Trägerin des Alternativen Nobelpreises, eine Universität hat ihr den Ehrendoktortitel verliehen und das US-amerikanische Magazin "Time" hat die Galionsfigur der Klimaschutzbewegung sogar zur Persönlichkeit des Jahres gekrönt. Doch jetzt steht die Gründerin von "Fridays for Future", Greta Thunberg, mehr in der Kritik als jemals zuvor.

Nach pro-palästinensischen Aussagen: "FFF Deutschland" grenzt sich von  Thunbergs Aussagen ab

Ihr Auftritt bei einer Demonstration für das Klima in Amsterdam hat offenbar Spuren hinterlassen. Vor 85.000 Zuschauern skandierte sie propalästinensische Aussagen. Ein Demonstrant riss Thunberg das Mikrofon aus der Hand und machte darauf aufmerksam, dass er nicht zur Demonstration gekommen war, um ihre politischen Ansichten zu hören. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich Videos von dem Eklat im Internet. Seitdem steht "Fridays for Future" mit dem Rücken zur Wand.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, meint, dass sich Thunberg zu radikalisieren scheint. "Es ist für mich unerklärlich, dass‚ Fridays for Future Deutschland' weiterhin unter ihrer Flagge segelt." Vertreter des deutschen Ablegers verkündeten zwar, dass sie jegliche Form von Antisemitismus verurteilen und Greta Thunberg die Gruppierung hierzulande nicht vertrete - doch das geht Schuster noch nicht weit genug.

Für Antisemitismusexperte Philipp Lenhard zeigen die Aussagen den Beginn eines Spaltungsprozesses. "Es gibt eine Unzufriedenheit unter Angehörigen der Klimaschutzbewegung, die sich nicht vereinnahmen lassen wollen", sagt Lenhard von der Universität von Kalifornien, Berkeley, zur AZ. "Sie hängt der Klimaschutzbewegung eine Kufiya um. Das mögen nicht alle."

Westliche Medien seien "Gehirnwäsche" und "imperialistisch"  

Der Vorfall in Amsterdam war nicht der erste seiner Art. Seit den Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober fiel der internationale Account auf X der Bewegung wiederholt mit propalästinensischen Posts und Solidaritätsbekundungen auf. Darin bezeichnen die Verantwortlichen die Berichterstattung von westlichen Medien als "Gehirnwäsche" und "imperialistisch". Zu diesen Nachrichten äußerte sich "Fridays for Future" auf Anfrage der AZ nicht.

In das Fahrwasser geriet wenig später auch die Klimaschutzorganisation "Extinction Rebellion". Ende Oktober protestierten Mitglieder der Organisation in Den Haag. Sie bezeichneten Israels Premier Benjamin Netanjahu als "Kriegsverbrecher" und seine Regierung als "Apartheitsregime".

Antisemitismusexperte Lenhard hat einen Erklärungsansatz, warum dieses Vokabular zurzeit besonders oft verwendet wird. "Ich beobachte an den Universitäten in den USA, dass Israel immer mehr zum Symbol des Bösen wird", so der Historiker. "Ob es jetzt um den Klimawandel, amerikanische Hochschulpolitik oder Rassismus geht, vieles wird in den Zusammenhang mit Israel gebracht."

Krieg und Klimawandel - Wie Anhänger von FFF die Themen vermischen

Wenn Anhängern von "Fridays for Future"von einer "Klimagerechtigkeit" auf "besetztem Land" sprechen, dann vermischen sich auch hier die Themen. "Das ist wirklich reines Wunschdenken, dass der palästinensische Kampf gegen Israel etwas mit dem Klimawandel zu tun hat", meint Lenhard.

Diese Vermengung von Themen beobachtet neben Lenhard auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. Auf AZ-Anfrage teilt die Behörde mit, dass sich einzelne, linksextreme Gruppierungen wegen ihrer "antiimperialistischen Ausrichtung" mit Palästina solidarisieren. Diese Extremisten hätten das "Mobilisierungspotenzial" bei Klimaschutzgruppierungen erkannt, wie aus dem Verfassungsschutzbericht von 2022 hervorgeht.

Die Sorgen der Jugendlichen seien für sie ein "Türöffner", um mit ihnen gegen das "kapitalistische System zu hetzen". Ähnliche Deutungsmuster gab es Lenhard zufolge bereits in den 1960er-Jahren. Einerseits hätte es das Bild von den Palästinensern als unterdrücktes Volk, das sich nur wehrt, schon damals gegeben. Auf der anderen Seite aber auch das Bild von Israel als "Land der Kapitalisten, Faschisten und Völkermörder".

Lenhard schlägt Namensänderung für "Fridays for Future Deutschland" vor

Dass diese Stigmata seit dem Kriegsausbruch vermehrt bedient werden, findet der Antisemitismusexperte absurd. "Es war das größte antisemitische Massaker seit dem Holocaust", so Lenhard, "und die erschreckende Folge davon ist, dass der Antisemitismus zunimmt."

Um sich von diesen Denkmustern noch schärfer zu distanzieren, könnte eine Namensänderung von "Fridays for Future" in Deutschland sinnvoll sein. "Die Organisation schadet sich mit ihrer Weigerung einer Namensänderung selbst", so Schuster zur AZ. Lenhard meint, dass die Umbenennung auch zeigen könne, dass sich der deutsche Ableger nicht mehr von Thunberg vertreten sieht.

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