Das vorgezogene Kanzler-Duell
HANNOVER Noch zwei Wochen sind es, dann wählen die Niedersachsen ein neues Landesparlament. Dass es dabei um viel mehr geht, nämlich um einen Stimmungstest neun Monate vor der Bundestagswahl, zeigt die Präsenz von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück. Beide reisten gestern in das Bundesland, um ihre Kandidaten – den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten David McAllister und seinen SPD-Herausforderer Stephan Weil – im Wahlkampfendspurt zu unterstützen.
In der SPD dürfte mancher Genosse angesichts dieser Unterstützung jedoch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Denn noch sind Steinbrücks Aussagen zum geringen Kanzlergehalt nicht verhallt. Und die jüngsten Umfragen, die Rot-Grün als Sieger sehen, gründen auf der Annahme, dass bereits an diesem Sonntag Wahlen wären. Ob ein Auftritt in Emden an der Seite von Stephan Weil alles zum Guten wenden kann? Was, wenn verschreckte SPD-Wähler in zwei Wochen scharenweise zuhause bleiben, weil sie Steinbrücks Vorstoß nicht als „ehrlich”, sondern als dumm erachten? Dann könnte die von der SPD als kleine Bundestagswahl stilisierte Landeswahl nach hinten losgehen.
Die niedersächsische Parteispitze freilich baut darauf, dass Steinbrücks Salär-Manöver folgenlos bleibt. Die Diskussion habe „keine Bremsspuren” im Landeswahlkampf hinterlassen, sagte Weil vor dem Treffen. Es klang, als wolle er sich Mut machen.
Bleibt es bei seiner Einschätzung und gewinnen SPD und Grüne die Wahl in Niedersachsen, hätte das Bedeutung weit über Hannovers Grenzen hinaus. Steinbrück samt Gefolgschaft könnten mit einem breiten Grinsen in den Bundestagswahlkampf ziehen. Und erstmals seit 1999 gäbe es dann wieder eine linke Mehrheit im Bundesrat. Dort soll dann Druck gemacht werden: gegen das Betreuungsgeld und die steuerliche Bevorzugung von Hoteliers und für einen gesetzlichen Mindestlohn.
Bei diesen Aussichten überrascht es nicht, wie sehr sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nun in Niedersachsen reinhängt. Nach dem Besuch, den ihr gestern Sternsinger aus ganz Deutschland im Bundeskanzleramt abstatteten, reiste sie ins niedersächsische Wilhelmshaven zur Neujahrsklausur des CDU-Parteivorstands. Dort sind seit Tagen Plakate montiert: „Die Kanzlerin kommt.” Morgen spricht Merkel zum Wahlkampf in Bremerhaven. Und bis 17. Januar sind fünf weitere Auftritte geplant.
Die Kanzlerin soll die Wende im Wahlkampf bringen. Und mit ihr der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder sowie Kabinettskollegen wie Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble, die allesamt Auftritte in Niedersachsen zugesagt haben. Zwar schafft es der durchaus beliebte Amtsinhaber McAllister laut Umfragen auf 40 Prozent – doch bleibt die FDP unter fünf Prozent, ist Schwarz-Gelb in Hannover Geschichte. Das Gegenmittel: ein Frontalangriff auf Rot-Grün. In der vorab bekannt gewordenen „Wilhelmshavener Erklärung” rechnet der CDU-Parteivorstand um Merkel mit den politischen Gegnern ab und rühmt sich selbst in Wirtschaftsfragen. Der Vorwurf: Mit Steuererhöhungen wolle Rot-Grün die Menschen belasten – zu Lasten „einer guten wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes”.
Bleibt das Problem „FDP”. Eine Leihstimmenkampagne wird es nicht geben, hieß es. Und auch keine gemeinsamen Auftritte mit FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner oder dessen Parteichef Philipp Rösler. Jeder ist sich eben doch selbst der Nächste.