"Das schaut man sich aber nicht an!“

Kurz bevor Ermittler seine Büros filzen, macht sich Tauss in einem Zwischenruf über Kinderpornos lustig – nun muss er fast alle Ämter abgeben
von  Abendzeitung

BERLIN - Kurz bevor Ermittler seine Büros filzen, macht sich Tauss in einem Zwischenruf über Kinderpornos lustig – nun muss er fast alle Ämter abgeben

Rückblende, Donnerstagvormittag, Bundestagsdebatte über neue Medien. Das Wort hat die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär, die über die Gefahren des Internets spricht. Sie muss sich mit einem Zwischenruf ihres SPD-Kollegen Jörg Tauss auseinandersetzen.

Bär: „Ich denke zum Beispiel an das Thema Onlinesucht. Das stelle ich auch fest, wenn ich mir die Kinderpornografie im Netz anschaue.“

Zwischenruf Tauss: „Was? Das schaut man sich aber nicht an!“

Bär: „Herr Tauss, das ist kein Thema, über das man Witze macht...“

Drei Stunden später hebt der Bundestag Tauss’ Immunität auf, nach einer weiteren halben Stunde stehen Ermittler in seinen Wohnungen und Büros. Und der Wortwechsel macht Kollegen und Beobachter im Rückblick fassungslos. Ist es wirklich denkbar, dass ein Politiker im Besitz von Kinderpornos ist und derart unbedarft seine Mätzchen macht? Oder passt es gerade ins Bild: Jemand fühlt sich sehr sicher, weil die Bekämpfung von Kinderpornografie zu seinen politischen Aufgaben zählt? Oder ist doch Variante drei richtig: Tauss ist unschuldig, wie er beteuert, und schlicht in eine Intrige hineingelaufen?

Die Mitarbeiter sind "geschockt"

Fragen über Fragen – und das politische Berlin ringt um Antworten. Selbst enge Mitarbeiter des SPD-Mannes zeigen sich auch am Tag danach schlicht „geschockt“. Dafür nimmt seine Partei ganz schnell das Heft in die Hand. Zügig wirkt die Fraktion hinter den Kulissen auf ihren Problemfall ein und setzt sich ebenso rasch durch. Tauss muss eine Erklärung verfassen, in der er von allen Ämtern zurücktritt: Mediensprecher, Generalsekretär der SPD Baden-Württembergs, Mitglied im Fraktionsvorstand – diese Posten gibt Tauss am Freitagvormittag auf.

Im Bundestag will er dagegen bleiben – ob er dies darf, das liegt vor allem in den Händen seiner Heimat-SPD. Sollte sich das Verfahren ausgerechnet im Megawahljahr lange hinziehen, werde die Partei ihn wohl zum Rücktritt drängen, heißt es in Stuttgart. Der Landesverband will sich am Sonntag bei einer Sitzung mit dem Fall Tauss beschäftigen.

Dabei wird die Lage für Tauss von Stunde zu Stunde problematischer. Die Staatsanwälte greifen ihn offensiv an: Ein Sprecher sagt, man habe in seiner Wohnung Material gefunden, das „eindeutig gegen einen Zusammenhang mit seiner Abgeordnetentätigkeit spricht“. Tauss’ Anwalt Jan Mönikes dagegen attackiert die Justiz: Diese habe Tauss schon vorverurteilt, während die Durchsuchungen noch liefen, und überdies die Medien eingeschaltet: „Kamerateams waren so schnell zur Stelle, dass der Verdacht einer Vorabinformation auf der Hand liegt.“

mue

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