„Das ist wie die Mondlandung“
„Amerika, dies ist unser Augenblick, dies ist unsere Zeit!“ Obamas Fans feiern die magische Nacht, die ihn zum Kandidaten machte. Chancen hat er nur, wenn Hillary Clinton Ruhe gibt.
Den Ort, an dem er seinen Triumph verkündet, hatte er sorgsam ausgewählt. Hier, im „Xcel Energy Center“ in St. Paul, Minnesota, wollen die Republikaner im September John McCain zu ihrem Präsidentschaftskandidaten küren.
Barack Obama ist jetzt schon da. 17000 jubelnde Anhänger auch. Zeit für Geschichte: „Amerika, dies ist unser Augenblick, dies ist unsere Zeit!“, predigt Obama. Und, als ob er es in die Geschichtsbücher diktiert: „Heute Abend kann ich hier stehen und sagen: Ich werde der demokratische Kandidat für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten sein.“
Der verrückteste Tag seines Lebens
Dieser Dienstag ist für Obama wohl der verrückteste Tag seines Lebens. Noch vor Ausgang der Vorwahlen in South Dakota und Montana musste er befürchten, dass das zähe Ringen mit Hillary Clinton noch bis zum Nominierungsparteitag Ende August andauert. Doch dann, bevor die Vorwahlen am Dienstag beendet waren, erklärten immer mehr Super-Delegierte, die die Kandidatenkür entscheiden, dass sie für Obama stimmen werden.
Um kurz nach 21 Uhr Washingtoner Ortszeit, also um kurz nach drei Uhr nachts europäischer Zeit, hatte Obama die Mehrheit der Stimmen sicher. Erstmals hat nun ein Schwarzer eine echte Chance, Präsident der USA zu werden. Viele Kommentatoren sprachen von einer „magischen Nacht“. Tom Brokaw, Star-Moderator des TV-Senders NBC sagte: „Das ist wie die Mondlandung.“
Doch die rauschende Sieges-Party ist der Auftritt von Obama in Minnesota nicht: Sicher, Obama redet wieder in romantischen Satz-Girlanden über Amerika. Sicher, er schließt wieder alle in seine heile Welt mit ein, wenn er sagt: „Es ist jetzt an uns, eine neue Seite aufzuschlagen und die Politik der Vergangenheit hinter uns zu lassen.“
Die Monate der Schlammschlacht sind vergessen
An diesem Abend, auf den er fünf Monate gewartet hat – so lange dauerte der quälende innerparteiliche Wahlkampf der Demokraten – widmet sich der Sieger sofort seiner unterlegenen Kontrahentin. „Senatorin Hillary Clinton hat mit ihrem Wahlkampf Geschichte geschrieben – nicht nur, weil sie eine Frau ist, die erreicht hat, was bisher keine Frau vor ihr erreicht hat. Sie ist eine Führerin, die Millionen von Amerikanern mit ihrer Kraft, ihrem Mut und ihrem Engagement für die Sache begeistert hat“, schwärmt Obama. Vergessen die Monate der Schlammschlacht, die die Demokraten ins Obama- und Hillary-Lager spalteten. Jetzt versucht der Sieger, die Partei zu einen.
Doch Clinton will nicht mitmachen. „Ich fälle heute Nacht keine Entscheidung“, sagt sie trotzig, als sie in New York vor ihre Anhänger tritt. In den kommenden Tagen will sie sich mit ihren Beratern über die nächsten Schritte abstimmen. Ihr Manöver ist durchsichtig: Clinton tut alles dafür, um doch noch ins Weiße Haus zu kommen – notfalls eben als Vizepräsidentin von Obama. Der wird keine Ruhe haben, ehe Clinton Ruhe gibt. Clinton droht: „Ich will, dass die 18 Millionen Amerikaner, die für mich gestimmt haben, gehört und gesehen werden.“ Am Ende könnte Obama gar nichts anderes übrig bleiben, als Hillary zu nehmen – auch wenn ihm das selbst schaden würde. Würden die beiden das Rennen tatsächlich machen, dann will neben Hillary auch noch ihr Gatte Bill ein Wörtchen mitreden. Obama-Fans, die einen echten Wandel wollen, würden ihrem Idol dies nie verzeihen.
Warum hat dieser Barack Obama letzten Endes gesiegt? Weil es ihm gelang, in wichtigen US-Staaten seine Botschaft vom Wandel zu verbreiten und vor allem Junge, Wohlhabende und Politikverdrossene zu erreichen. Und weil er im Gegensatz zu Clinton fähige Strategen hinter sich wusste. Während Clinton im Wochenrhythmus ihre Botschaften und Berater austauschte, blieb Obama immer bei seiner simplen Botschaft: Change – Wandel.
„Yes We Can“
Vor vier Jahren kannte kaum jemand Barack Obama. Damals wurde er mit einer fulminanten Rede beim Wahlparteitag zum Polit-Star. Plötzlich interessierten sich die Amerikaner für die ungewöhnliche Biografie: Dafür, dass der Sohn eines Kenianers und einer Amerikanerin auf Hawaii und in Indonesien gelebt hat. Dafür, dass er Rassenhass kennengelernt hat. Und dafür, dass er sich als Sozialarbeiter in Chicago für die Armen engagiert hat. Obama füllt die Hallen mit seinen Veranstaltungen und seiner einfachen Parole „Yes We Can“.
Doch am Ende des zermürbenden Wahlkampfes mit Clinton ist auch Obama nicht mehr der Strahlemann, der er vor einem halben Jahr war. Im langen Vorwahlkampf lieferten Clinton und ihre Strategen den Republikanern jede Menge Futter für den Präsidnetschafts-Wahlkampf – frei Haus. Mit Erfolg: Aus dem ewig lächelnden 46-Jährigen wurde mittlerweile ein ernster Mann. Die Hälfte seiner Redezeit widmet er am Dienstag seinem republikanischen Herausforderer John McCain. Obama weiß: Der wahre Kampf ums Weiße Haus hat jetzt begonnen. Und der Weg dorthin ist noch lang.
Volker ter Haseborg