"Das ist eine Ungeheuerlichkeit": Ramelow schreibt Brandbrief an Söder
Erfurt/München - Der Stromtrassen-Streit zwischen Bayern und Thüringen geht weiter. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich nun in einem Brief, welcher der AZ exklusiv vorliegt, direkt an seinen bayerischen Kollegen Markus Söder (CSU) gewandt. Er spricht von einer „etwas irritierende Angelegenheit“.
In dem Schreiben schildert Ramelow, dass er die sogenannte Thüringer Strombrücke trotz „suboptimaler Trassenführung“ vor neun Jahren genehmigte, die Bayern „vehement verlangte“. Allerdings sei der Freistaat, damals noch unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), dann nicht gewillt gewesen, „die genehmigten und möglichen Strommengen ab der Übergabestelle am Froschgrundsee zu übernehmen“.
Erst an diesem Punkt sei der Gedanke des Korridors durch das Heldburger Land entstanden – über den nun heftig diskutiert wird, seitdem Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) laut darüber nachdenkt. Ganz offenbar, ohne Rücksprache mit dem Nachbarbundesland gehalten zu haben.
"Das ist eine Ungeheuerlichkeit", sagt Bodo Ramelow
Denn damals wurde das Projekt laut Ramelow abgehakt: Thüringen habe mit Bayern einen gemeinsamen Weg gefunden, „auf den Neubau der damaligen P44, heute P540, verzichten zu können, weil wir die mangelnde Stromabnahme am Froschgrundsee bzw. Roth, für die ausschließlich Bayern verantwortlich zeichnet, (...) auf den Süd-Ost-Link verlagert haben“, schreibt er.

Ihm sei es dabei stets darum gegangen, einerseits bayerische Interessen zu akzeptieren und andererseits deutlich zu machen, „dass für uns das Heldburger Unterland eine Tabuzone ist, durch die kein Neubau einer Wechselstromfreileitung erfolgen darf“. Die Bewahrung dieser Gegend mit ihrem zentralen Bergkegel und dem Deutschen Burgenmuseum bleibe für ihn von zentraler Bedeutung. Zudem belasteten die Menschen dort aktuell die Schließung einer Reha-Klinik und die Insolvenz einer großen regionalen Firma. „Dass nun in dieser gebeutelten Region auf einmal aus dem Nichts heraus die P44 heute als P540 wiederauftaucht – sogar noch flankiert von Formulierungen Ihres Stellvertreters, dass man mit der Querung durch das Heldburger Unterland ja die bayerische Region schonen würde – ist eine Ungeheuerlichkeit“, so Ramelow an Söder.
Ramelow wird den "Aiwanger-Bogen" nicht akzeptieren
Aus seiner Sicht sei auszuschließen, dass Thüringen diese dann als „Aiwanger-Bogen“ zu bezeichnende Trasse akzeptieren werde. „Sollte man tatsächlich alle bisherigen Absprachen für obsolet erklären und nunmehr zu dem Ergebnis kommen, dass der Energiebedarf im Süden trotz der Erweiterung des Süd-Ost-Link nicht gedeckt werden kann, so kann als Lösung nur – endlich – die Nutzung der Kapazitäten der Thüringer Strombrücke infrage kommen.“

Um zu einem abgestimmten Vorgehen zu kommen, schreibt Ramelow, habe er seine Raumplanungsministerin Susanna Karawanskij und den Energieminister Bernhard Stengele gebeten, Hubert Aiwanger und BNetzA-Präsident Klaus Müller zu einem Gespräch einzuladen.
Außerdem schlägt er eine gemeinsame Kabinettssitzung im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet vor. Gute Nachbarschaft, so der Linken-Politiker, zeichne sich durch Kommunikation untereinander aus „und nicht dadurch, dass man versucht, auf dem Territorium des Nachbarn seine eigenen Interessen zu verfolgen“.
Aiwanger hatte vergangene Woche überraschend bekannt gegeben, dass neben Süd-Link und Süd-Ost-Link auch die geplante Trasse namens Süd-Ost-Link Strom vom Norden Deutschlands nach Bayern bringen soll – möglichst per Erdkabel. Zusätzlich ist laut bayerischem Wirtschaftsministerium eine weitere Leitung – besagte P540 – oberirdisch von Schalkau (Landkreis Sonneberg) in Thüringen über den Raum Münnerstadt (Landkreis Bad Kissingen) nach Grafenrheinfeld (Landkreis Schweinfurt) angedacht.