"Das ist die alte CSU"

Der Fraktionschef muss fünf Monate vor der Landtagswahl gehen. Er hatte seine eigene Frau angestellt und üppig bezahlt.
Angela Böhm |
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Georg Schmid und seine Ehefrau Gertrud bei den Bayreuther Festspielen 2010.
dpa Georg Schmid und seine Ehefrau Gertrud bei den Bayreuther Festspielen 2010.

München - Lange wollte sich Horst Seehofer das nicht mehr anschauen. Alles hatte er daran gesetzt, der CSU ihren alten Amigo-Mantel zu entreißen, sie in ein reines Gewand zu kleiden.

Nun hat ihn die Vergangenheit wieder eingeholt, fünf Monate vor der Landtagswahl: Selbstbedienung, Vetternwirtschaft, Selbstherrlichkeit: Die von der AZ aufgedeckte Finanzierung von Politikerfrauen und -kindern auf Steuerzahlerkosten zeigt, dass das alte System weiter lebte – und stürzt Bayern in eine Regierungskrise.

In Seehofers Regierungszentrale herrscht allerhöchste Alarmstufe rot: „Das regt die Leute mehr auf, als die Steueraffäre um Uli Hoeneß“, hieß es. „Ich will erst mit Georg Schmid persönlich reden“, hatte Seehofer am Mittwoch gesagt.

Am Donnerstag hat er’s getan. CSU-Fraktionschef Schmid kam zu Seehofer in die Staatskanzlei. Angesichts der Schlagzeilen war alles klar. Die kann Seehofer jetzt nicht gebrauchen. Der „Schüttelschorsch“, wie er genannt wird, ist für die CSU nicht mehr zu halten. Er warf das Handtuch.

Um 13:37 Uhr verschickte die CSU-Fraktion seine Rücktrittserklärung. Schmid kehrte nach dem Treffen mit Seehofer nicht mehr zurück in sein Büro im Bayerischen Landtag. „Ich zahle anständig Steuern in diesem Lande, bin ein anständiger Mensch und halte mich an die Gesetze“, hatte er erklärt, als ihn die AZ vergangenen Woche zur Rede gestellt hatte.

Seit 23 Jahren beschäftigt Schmid seine Ehefrau Gertrud. Die gründete dafür sogar eine eigene Firma. Bis zu 5500 Euro pro Monat zahlte er ihr. Dazu kamen noch 19 Prozent Mehrwertsteuer. Die restlichen 1000 Euro, die ihm für Mitarbeiter zustehen, verteilte er auf zwei 400-Euro-Kräfte und eine stundenweise Aushilfe.

Dabei hatten die Schmids eine solche Erhöhung des Familieneinkommens gar nicht nötig. Der CSU-Fraktionschef gehörte mit 21000 Euro monatlich zu den Topverdienern unter Bayerns Politikern.

Am Ende hatte er auch noch vermasselt, die Affäre schnell abzuräumen. Sein Plan, die Änderung des Abgeordnetengesetzes am Mittwoch im Hau-Ruck-Verfahren im Landtag durchzusetzen, scheiterte an strategischen Fehlern.

Um 21.23 Uhr war es im Maximilianeum zum Show-Down gekommen, kurz nachdem Dortmund sein erstes Tor gegen Real Madrid geschossen hatte. Die Abgeordneten wurden vom Fernseher ins Plenum zurückgerufen.

„Meine Güte, was müssen Sie von der CSU gerade für eine Panik schieben“, begann Grünen-Chefin Margarete Bause ihre Attacke. „Die CSU hat sich eben nicht verändert. Die CSU hat sich eben nicht erneuert. Sie ist im Kern die gleich alte Filz-CSU geblieben.“

„Da ist er wieder, der unappetitliche Filz der CSU“, griff SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher an. Ihm reicht der Schmid-Rücktritt nicht: Er will auch, dass Haushalts-Ausschuss-Chef Georg Winter seinen Hut nimmt.

Der hatte neben der Ehefrau auch seine damals 13 und 14 Jahre alten Söhne eingestellt. Georg Schmid wollte eigentlich nie Fraktionschef werden. Als Staatssekretär im Innenministerium hatte der Schwabe darauf spekuliert, Günther Beckstein auf den Ministersessel zu folgen.

Doch diese Aufgabe traute ihm keiner zur. Auch in der Fraktion wurden seine Führungsqualitäten immer wieder kritisiert. Vergangenen Samstag hatte Schmid seinen 60.Geburtstag gefeiert. Da sagte er: „60, das ist ein Eckpunkt des Lebens.“ Zu seiner Feier war Seehofer schon nicht mehr gekommen.

 

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