Das Gymnasium auf Probe
Die CSU rühmte sich stets für die knallharten Aufnahme-Kriterien der bayerischen Gymnasien. Doch kaum haben die Koalitionsverhandlungen mit der FDP begonnen, rütteln die Christsozialen an der Regelung zum Übertritt
Erst knickte die CSU beim Rauchverbot ein. Jetzt gibt sie auch beim Wettrennen aufs Gymnasium klein bei. Nach AZ-Informationen wird die rigorose Übertrittshürde zum Gymnasium entschärft. Künftig soll nicht nur der Notendurchschnitt von 2,3 zählen, sondern auch der „Elternwille“ berücksichtigt werden. Um den Leistungsdruck zu mildern, sollen Kinder nach der vierten Klasse auf Probe auf’s Gymnasium wechseln können. Im Kultusministerium arbeitet eine Fachgruppe an der Lockerung der Übergangsmodalitäten.
Was eine Koalitionsregierung alles bewirken kann. Bisher war die CSU noch stolz auf ihr gnadenloses Aussiebverfahren, das Kinder und Eltern in völligen Stress versetzte. Doch nun wird gerade das Thema Bildung bei den Verhandlungen mit der FDP zum Knackpunkt. Die Liberalen wollen eine gemeinsame sechsjährige Grundschulzeit und eine Fusion der Haupt- und Realschule (siehe unten).
Beim dreigliedrigen Schulsystem will die CSU nicht nachgeben
Dem aber will die CSU auf keinen Fall nachgeben. Der designierte Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte bereits: „Wir halten am dreigliedrigen Schulsystem fest. Eine Strukturänderung wird es nicht geben.“
Die würde nicht nur einen enormen Aufwand an Raumplanung bedeuten, sondern auch Millionen kosten. „Das Geld können wir besser investieren“, heißt es in der CSU. „In frühkindliche Erziehung, bessere Grundschulen, kleinere Klassen und Individualförderung von Kindern.“ Auch die Kombiklassen will die CSU wieder abschaffen.
Im Konferenzraum der CSU-Landesleitung fanden gestern bei Schnitzel „Wiener Art“ und Kartoffelsalat die ersten konkreten Koalitionsverhandlungen statt. Auch einer Änderung des Versammlungsrechts hat die CSU gestern zugestimmt. Um die „Lufthoheit über den Stammtischen“ kann sie dabei eh nicht mehr kämpfen. Bald-Ex-Ministerpräsident Beckstein sagte am Montag in der Vorstandssitzung verbittert: „Das macht eh keinen Sinn mehr, weil wir die Stammtische mit dem Rauchverbot zerstört haben.“ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Verhandlungsführerin der FDP, wird das freuen.
Angela Böhm