Das GroKo-Dilemma: Malu can do - so hofft zumindest die SPD

Auf sie wird es ankommen. Nicht auf die Chefs von Partei und Fraktion, Martin Schulz und Andrea Nahles. Wenn sich die SPD am Sonntag im "World Conference Center" am Bonner Rheinufer versammelt, um auf einem Sonderparteitag über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zu debattieren, dann werden sich alle Blicke auf Malu Dreyer richten. Denn der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin und Vize-Parteichefin kommt bei der Debatte und der Abstimmung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union eine Schlüsselrolle zu.
Malu Dreyer muss es richten: nicht nur die zutiefst verunsicherte SPD aufrichten und zu einem Ja zum nächsten Schritt auf dem Weg zur Großen Koalition bewegen, sondern nebenbei auch noch die gesamte Parteispitze retten.
Martin Schulz gibt sich keinen Illusionen hin: Lehnen die Delegierten das Sondierungsergebnis ab, sind seine Tage an der Spitze der SPD gezählt. Scheitere die GroKo, sei seine Karriere beendet, habe er zu CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Kollegen Horst Seehofer am Rande der Sondierungen in aller Offenheit gesagt, wird in Berlin kolportiert.
Dreyer empfahl Minderheitsregierung
Nur Malu Dreyer, der neue Liebling der SPD, die auf dem Parteitag Anfang Dezember mit 97,5 Prozent erstmals zur stellvertretenden Parteichefin gewählt wurde und damit das beste Ergebnis erhielt, ist in der Sicht vieler Genossen glaubwürdig genug, das Ja zur Neuauflage der GroKo überzeugend zu begründen - steht doch ihr Ringen symptomatisch für das Ringen der gesamten Partei.
Einerseits gehört sie zum rechten Flügel der Partei, die mit einer gehörigen Portion Pragmatismus ebenso unaufgeregt wie erfolgreich in Mainz mit der FDP und den Grünen regiert. Andererseits sprach sie sich noch auf dem Parteitag gegen eine Regierungsbeteiligung der SPD aus und empfahl, eine Minderheitsregierung der Union zu tolerieren.
Wenn sie nun zugibt, "mit gutem Gewissen" dem Sondierungsergebnis zustimmen zu können, weil die SPD viel erreicht habe, könnte dies, wenn es Spitz auf Knopf steht, auch die zögerlichen Delegierten überzeugen.
Denn die Stimmung in der Partei könnte schlechter nicht sein. Nachdem sich bereits die Landesverbände Thüringen und Sachsen-Anhalt gegen die Sondierungen ausgesprochen haben, melden sich immer mehr Gegner zu Wort, nicht nur die "üblichen Verdächtigen" wie Juso-Chef Kevin Kühnert oder die Parteilinke Hilde Mattheis.
Bis zu einer Koalition ist noch viel zu tun
Martin Schulz sucht derweil die Unterstützung der mitgliederstärksten Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Bayern, gestern Abend traf er sich in Dortmund, der "Herzkammer der SPD", mit der kritischen Basis in seinem eigenen Heimatverband. Am Mittwoch reist er ins schwäbische Kloster Irsee, um an der Klausursitzung er bayerischen SPD-Landtagsfraktion teilzunehmen und um Zustimmung zu werben.
Gleichzeitig knöpft sich auch Fraktionschefin Andrea Nahles in der ihr eigenen direkten Art die GroKo-Kritiker vor . "Da wird ein Ergebnis schlecht geredet von einigen, die egal, was wir verhandelt hätten, gegen die GroKo sind", sagte sie. "Das akzeptiere ich nicht, da werde ich dagegenhalten." Die SPD habe in den Sondierungen viele Erfolge erreicht, etwa die Absicherung des Rentenniveaus. Und auch der Parteilinke Ralf Stegner wirbt um Zustimmung, auch wenn er einschränkt: "Das Sondierungsergebnis kann nur Basis sein für Koalitionsverhandlungen." Es werde so getan, als sei alles schon verhandelt - "das ist es mitnichten".
In der Tat ersetzen die Sondierungen noch lange nicht die eigentlichen Koalitionsverhandlungen. Das aktuelle Papier hat 28 Seiten. Zum Vergleich: Der letzte Koalitionsvertrag hatte 185. Alles, was noch nicht geregelt wurde, soll in den Koalitionsverhandlungen folgen, die bei einem Ja der SPD schon kommende Woche beginnen sollen.
Für CDU und CSU steht allerdings fest, dass die Ergebnisse der Sondierungen nicht mehr zur Debatte stehen.
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