Das Fest der Liebe
NÜRNBERG - Bei ihrem Parteitag trimmt die CSU alles auf Harmonie und Frieden in der Union. Und Seehofer verspricht einen „Merkel-Wahlkampf“. Schließlich sei man eine Einheit, sagt Seehofer – „eigentlich“.
Horst Seehofer muss gleich mal wieder seine Position wechseln. Diesmal aber nur vor dem großen Logo der CSU am Eingang der Nürnberger Messehalle. Das „S“ soll er vor den Fotografen auf keinen Fall verdecken. Schließlich steht doch gerade dieser Buchstabe für ihn: „Sozial“.
Schon frühzeitig ist er zum Parteitag gekommen, um alles zu inspizieren – und ist überwältigt. Einen Altar haben sie ihm auf die Bühne gebaut. Mit zwei Seitenflügeln, eingerahmt von einer Lichterkette. Die Kultstätte für Seehofer hat sogar noch eine stählerne Kanzel: eine Showtribüne für das Rahmenprogramm.
Hier also wird das politische Hochamt der Christsozialen mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel zelebriert. Das Fest der Liebe. Mit der Frohbotschaft: Friede und Harmonie sei mit und zwischen euch. Die Bläsergruppe Esbrassivo aus Rosenheim sitzt schon da und probt den „Einzug der Königin von Saba“ von Händel.
Einen „Merkel-Wahlkampf" will die CSU jetzt führen. Also soll Waffenstillstand herrschen zwischen den Schwestern CSU und CDU, zumindest bis die Wähler am 27.September Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder zur Kanzlerin gewählt haben.
„Ich war jetzt fast die ganze Woche mit der Kanzlerin beieinander", sagt Seehofer. Angefangen bei der CSU-Klausur in Kloster Banz, beim deutsch-russischen Gipfel, dem Audi-Jubiläum und eben jetzt bei der CSU. „Wir sind eigentlich schon eine Einheit." Wenn da nur das „eigentlich“ nicht wäre. Ob Seehofer nach der Harmonie-Messe denn noch forscher werden will? „Frischer“, sagt er grinsend.
Seinen Vorgängern Erwin Huber und Günther Beckstein war vor genau einem Jahr am selben Ort das Lachen vergangen. Mit einem Halbsatz hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel damals vor der Landtagswahl die CSU-Forderung nach einer Pendlerpauschale eiskalt abserviert und ihren Geburtstagskuchen stehen gelassen. Seehofer darf nun bei der CSU-Messe immerhin einen eigenen Gebetstext verteilen: einen Wahlaufruf, in dem steht, dass die Steuern 2011 und 2012 gesenkt werden. Ins gemeinsame Programm hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das nicht schreiben lassen.
An diesem Wochenende jedenfalls will der CSU-Chef keinen Streit. „Am Ende wird alles gut", prophezeit er. Bei diesem Altar allerdings mag man kaum daran glauben. Seehofer will nicht von der Kanzel predigen. Für ihn und Merkel haben sie unten, direkt vor der Deutschland-Fahne, ein neues Rednerpult aufgestellt. Dort hängt die blaue Raute, das Emblem der Partei extra schief.
Irgendwie scheint alles ein bisschen durcheinander gewirbelt an diesem Parteitag. Am Vorstandstisch ist plötzlich ein Platz für Peter Gauweiler reserviert, der seit zehn Jahren auf keinem Parteitag mehr war. Jahrelang hatte die Partei den Münchner Bundestagsabgeordneten als Hinterbänkler behandelt. Nun darf er zwischen den Promis sitzen – als Belohnung für seine europafeindliche Haltung, mit der Seehofer seit Wochen Bundeskanzlerin Angela Merkel triezt.
Die verlässt das Fest der Liebe auch bald wieder. Sie wollte ihren 55.Geburtstag lieber daheim feiern – mit ihren Lieben.Angela Böhm