Das Ende einer Epoche

Erdrutschartige Verluste: Die CSU verliert nach Jahrzehnten ihre Mehrheit in Bayern. Jetzt geht es darum, welche Köpfe rollen – und mit wem sie nun regiert.
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Erdrutschartige Verluste: Die CSU verliert nach Jahrzehnten ihre Mehrheit in Bayern. Jetzt geht es darum, welche Köpfe rollen – und mit wem sie nun regiert.

MÜNCHEN Eine Zeitenwende. Ein Erdbeben. Das Ende einer jahrzehntelangen Epoche. Die Wahl in Bayern hat ein Ergebnis gebracht, mit dem so massiv niemand gerechnet hätte – am wenigsten die Regierungspartei selbst: Die CSU stürzt ab. Sie erleidet erdrutschartige Verluste, ihre absolute Mehrheit ist gebrochen. Rücktritte stehen deutlich sichtbar im Raum.

Alles ist anders an diesem 28. September 2008 – dem Geburtstag von Edmund Stoiber übrigens – als bei früheren Landtagswahlen. Das Wahlziel 50 plus x hat die CSU dramatisch verfehlt, nach Hochrechnungen kommt sie gerade noch auf 43,8 Prozent. Das sind Verluste von rund 17 Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Wahl 2003. Im Landtag verfehlt sie die Mehrheit der Sitze klar.

Und so sieht es bei den anderen Parteien aus: Auch die SPD hat leichte Verluste und kommt mit 18,4 Prozent (minus1,2 im Vergleich zu 2003). Die Grünen legen deutlich zu: von 7,7 auf 8,9 Prozent. Einer der ganz großen Gewinner ist FDP: Sie kann ihr Ergebnis von 2,6 auf 7,4 Prozent verdreifachen und wird künftig wahrscheinlich mitregieren. Die Freien Wähler schaffen ebenfalls den Einzug in den Landtag - und zwar gleich mit 10,7 Prozent (plus 6,7 Prozent). Die Linken erreichen zwar aus dem Stand 4,5 Prozent, verpassen aber den Einzug ins Maximilianeum.

Die wahrscheinlichste Variante ist, dass sich die CSU nun einen Partner sucht – das wechselseitige Werben zwischen CSU und FDP war gestern Abend schon sehr deutlich. Rechnerisch gäbe es aber auch eine Mehrheit für ein buntes Vierer-Bündnis aus SPD, FW, Grünen und FDP. Vor allem der Grüne Sepp Daxenberger drängt in diese Richtung: „Es gibt eine Mehrheit jenseits der CSU! Es gibt die Möglichkeit für einen Neuanfang! Wir sind dabei!“ Auch FW-Chef Hubert Aiwanger erklärt: „Wir sind für alles offen.“ Doch die Liberalen bremsen. Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht keine ausreichenden Grundlagen für ein Vierer-Bündnis. Und fordert offen: „Die CSU muss uns jetzt Angebote machen.“

Doch zentral ist nun erstmal, wie es in der CSU weitergeht. Sie ist in ihren Grundfesten erschüttert. Schon am Sonntagnachmittag, als die ersten Wahlnachfrage-Ergebnisse in die Parteizentrale durchgesickert waren, hatten sich Huber, Beckstein und die glücklose Generalsekretärin Christine Haderthauer zu einem Krisentreffen zusammengesetzt. Kurzzeitig war angesichts der desaströsen Zahlen von einem Komplettrücktritt der CSU-Führungsspitze inklusive Fraktionsschef Georg Schmid die Rede gewesen. Nach kurzer Beratung entscheiden sich die Top-Leute dagegen. Allerdings hat sich die Junge Union nach AZ-Informationen mit ihrer Forderung nach einem Sonderparteitag durchgesetzt. „Dann werden wir das wohl so machen“, sagte der ehemalige Fraktionschef Alois Glück.

Relativ früh wagen sich Huber und Beckstein in die Öffentlichkeit. Der Parteichef ist sichtlich angeschlagen: „Dies ist ein schwarzer Tag für die CSU. Ich beschönige gar nichts“, sagt Erwin Huber. Seine Aussprache ist schlurrend. Der „Msterpränt“ habe weiter das Vertrauen. Beckstein selbst sagt: „Das hat uns alle kalt erwischt. Das ist schlimmer als in all unseren worst-case-Szenarien“. Er macht deutlich: „Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung. Wir müssen in den sauren Apfel beißen.“

Das allererste personelle Opfer dürfte CSU-Generalin Christine Haderthauer sein. Auf eine entsprechende Reporter-Frage sagt sie: „Ich habe immer gesagt, ich stehe zu meiner Verantwortung.“ „Und sie hatten die Verantwortung für den Wahlkampf?“ „Ja.“

Wahlforscher machen bereits erste Analysen. Eine ARD-Untersuchung ergab, dass 84 Prozent der Bayern als Hauptgrund für den CSU-Absturz sehen, dass die Partei „kein überzeugendes Führungspersonal mehr“ hat. Inhaltlich nennen die Befragten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen die Bildungspolitik. tan

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