Das Drama von Berlin: Zerreißt es die SPD?

BERLIN - Erst die Wahlschlappe, jetzt geht es innerhalb der Partei zur Sache: Die Genossen und ihr „Neuanfang“. Nach den Rücktritten tobt ein heftiger Machtkampf in der SPD.
Die SPD kommt nicht zur Ruhe: Während die Profisozis im Berliner Regierungsviertel öffentlich Durchhalteparolen ausgeben und von einem „nötigen Erneuerungsprozess“ reden, werden in den Hinterzimmern die Messer gewetzt – in der SPD tobt ein erbitterter Machtkampf.
Die Wahl von Ex-Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier zum Fraktionschef wird in der Partei schulterzuckend als unausweichlich gesehen: „Sonst hätten wir ihn auch nicht als Kanzlerkandidaten aufstellen dürfen“, seufzt eine Abgeordnete. Juso-Chefin Franziska Drohsel wird noch deutlicher: „Es gab eine seriöse Skepsis, ob mit einer Person, die so stark mit der Agenda 2010 verbunden ist, ein Neuanfang gelingen kann.“
Schon werden hinter den Kulissen Planspiele kolportiert, wonach die Partei-Linke Andrea Nahles in ein, zwei Jahren, „wenn Steinmeier mürbe“ ist, den Fraktionsvorsitz kapern werde. Dabei ist die Troika aus einem SPD-Chef Sigmar Gabriel, einer hervorgehobenen ersten Stellvertreterin und Generalsekretärin Andrea Nahles und eben Steinmeier noch gar nicht in trockenen Tüchern: Erst in der kommenden Woche sollen in den Führungsgremien die Würfel fallen. Nicht allen in der SPD ist wohl mit einer neuen Troika, wenn sie in die Parteihistorie schauen: Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner waren sich in den 70er Jahren ebenso in herzlicher Abneigung verbunden wie Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping in den 90ern.
Während Gabriel und Nahles ihr Schweigegelübde bislang eisern einhalten, traute sich am Mittwoch der scheidende Arbeitsminister Olaf Scholz aus der Deckung und warf seinen Hut in den Ring: „Ich bin bereit, in der Führung der SPD mitzuarbeiten.“ Zugleich fordert Scholz eine Öffnung zur Linken: „Koalitionen mit den Parteien, die im Bundestag sitzen, sind nicht prinzipiell ausgeschlossen.“
„Wir müssen die Linkspartei behandeln wie jede andere Partei auch“, sagt auch Fraktionsvize Elke Ferner, die stramm auf Gabriel-Nahles-Kurs ist. Eine rasche Vereinigung der Parteien vor 2013 hält sie gleichwohl für illusorisch. Ex-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn sieht das ähnlich: „Eine große Mehrheit in der SPD ist sich einig, dass wir jetzt eine Neuausrichtung brauchen – und zwar programmatisch und personell“, sagt sie der AZ. Das Hauptproblem der SPD sei nicht Schröders Hartz IV, sondern Merkels und Münteferings Rente mit 67 gewesen. Deswegen müsse die SPD ihre soziale Kompetenz wieder stärker hervorheben. „Wir müssen einfach wieder näher bei den Menschen sein.“Markus Jox