Das Drama um Hillary: Clintons größter Kampf ist vorbei

Sie glaubte, die Präsidentschafts-Kandidatur würde ihr in den Schoß fallen. Doch Hillary Clinton schätzte die Stimmung völlig falsch ein. Barack Obama hat die Schlacht der Demokraten für sich entschieden.
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Hillary Clinton hat im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur kaum noch Chancen
dpa 2 Hillary Clinton hat im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur kaum noch Chancen
Verspricht den Wandel: Barack Obama
dpa 2 Verspricht den Wandel: Barack Obama

Sie glaubte, die Präsidentschafts-Kandidatur würde ihr in den Schoß fallen. Doch Hillary Clinton schätzte die Stimmung völlig falsch ein. Barack Obama hat die Schlacht der Demokraten für sich entschieden.

Am Ende war es nur noch eine Quälerei. Die Zahlen waren niederschmetternd, die Presse schlecht, und auch die Stimmung war mies. Ehemann Bill, dem alten Profi, brannten die Sicherungen durch, als er einen Reporter beschimpfte. „Lauter Lügen“, habe er über seine Frau geschrieben. Aber an der großen, der einen Wahrheit kam niemand mehr vorbei: Hillary Clinton hat verloren.

Ihr Kampf ist vorbei. Alle, selbst aus ihrem engsten Umkreis war das klar zum Schluss, nur eine mochte es nicht einsehen – sie selbst.

Alles investiert in die historische Chance

Hillary Rodham Clinton, 60 Jahre, hatte eine historische Chance, und sie hat wirklich fast alles getan, sie zu nutzen: Zeit, Manpower, unendlich viel Energie, und elf Millionen Dollar aus der Privattasche hat sie investiert in den großen Traum – die erste Frau im mächtigsten politischen Amt der Welt zu werden. Es endete am Dienstagabend in einigen gewundenen Rückzugserklärungen, in schwer verständlichen Eingeständnissen, dass das große Ziel unerreichbar sein würde – und dass sie bereit sei zur Vizepräsidentschaft unter Barack Obama.

Generalstabsmäßig geplant war sie die Sache angegangen im Januar vor einem Jahr. Auf einem geblümten Sofa saß sie, als sie die entscheidenden Worte sagte: „Ich bin dabei“ „I’m in“. Die Botschaft verbreitete sie im scharfen Kontrast zur spießigen Wohnzimmer- Idylle, im Internet – eine moderne Frau, mitten im Leben, die weiß, wohin sie will, an die Spitze.

Bisher noch alles erreicht

Das Selbstbewusstsein war nicht unbegründet, warum auch. Schließlich hatte die gelernte Anwältin, die jahrelang mehr verdiente als ihr Mann, bisher noch alles erreicht – auch wenn der Weg manchmal kurvig war, voller Verzicht und Entbehrungen. Sie bekam die Beteiligung an einer gut gehenden Anwaltskanzlei in Little Rock, als Bill politisch herumkrebste. Sie steckte ihre Karriere zurück, für Bills Wiederwahl zum Gouverneur von Arkansas; sie unterstützte ihn beim Kampf ums Weiße Haus; sie verleugnete sich, als sie im Wahlkampf die Plätzchen backende Hausfrau vorspielte. Ihre Bereitschaft, sich zu verstellen und zurückzustecken hatte einen Preis: „Nach deiner Zeit kommt meine dran“, so eine nie dementierte Übereinkunft zwischen ihr und ihm. Nach Bills Präsidentschaft, nach ihrer aufopferungsvollen und bemitleidenswerten Rolle als betrogene Ehefrau war ihr Teil der Abmachung dran.

Bill, der trotz des Skandals um die Praktikantin Monica Lewinsky mit großer Zustimmung aus dem Amt schied, unterstützte seine First Lady: Er half beim Kampf um den Senatsposten in New York. Das erste Mal gewann sie knapp, das zweite Mal fulminant, die nächste Stufe der Leiter schien nicht nur erreichbar, Hillary würde auch Präsidentin werden. Das war fast ein Selbstläufer, fast unvermeidlich.

„Unvermeidbarkeit“, das war lange Zeit so etwas wie das gewichtigste Argument für die Kandidatin: Ihre Gegner, allen voran der unglückselige Amtsinhaber George W. Bush mit seiner verpfuschten Politik, krebsten im Tal katastrophaler Zustimmungswerte, und wer sollte ihr gefährlich werden?

Mit Bill, dem noch immer besten Zugpferd im Stall der Demokraten, teilt sie Tisch und Bett. Sie kann auf seinen eingespielten Apparat zurückgreifen, die Spenden- Millionen flossen anfangs. Wer sollte sie stoppen – doch nicht etwa dieser völlig unbeleckte Newcomer, dieser schwarze Senator aus Illinois?

Ein Schwarzer als Präsident?

Dieser Junge mit seinem Lausbubenlächeln im cafebraunen Gesicht? Ein Schwarzer als Präsident? Das war noch unwahrscheinlicher als eine Frau. Niemals!

Hillary Rodham Clinton hat sich gründlich getäuscht. In der Manier eines großen Dampfers setzte sie nur die großen Ziele, wie den Super- Tuesday der Vorwahlen. Das kleine Iowa mit seine Probeabstimmungen in Turnhallen und Farmhäusern, überließ sie dem anderem. Und Obama griff zu.

Das „Momentum“ die Bewegung, die Dynamik des Wahlkampfs ging zum jungen Mann mit seiner jungen Botschaft: „Ja, wir können’s“. Er begeisterte die Jungen, die Intellektuellen und schließlich die liberalen Medien, er sammelte kleine und Kleinstspenden im Internet, während Hillary sich auf die Großspender verließ. Der Tanker Hillary wurde langsam, er wurde zum unbeweglichen Dinosaurier. Obama sammelte nicht nur Geld, sondern auch die notwendigen Wahlmänner-Stimmen.

Die Stimmung falsch eingeschätzt

Hillary, die sich für die natürliche Kandidatin hielt, schätzte die Stimmung der Partei falsch ein. Nach den Bush- Jahren gab es an der demokratischen Basis einen tiefgreifenden Wunsch nach Wandel, analysierte die „Time“. Und dieser Wandel sollte nicht nur eine Abkehr sein von Bush. Sondern eine Abkehr von Bush-Clinton-Bush-Clinton.

Seit 16 Jahren wird das noch immer mächtigste Land der Erde von einem Mitglied der beiden politischen Clans beherrscht. Den wahren Wechsel weg davon, den Wandel zu einem neuem Politik-Stil, den verspricht Obama glaubwürdiger. Dass er sich in wichtigen Fragen wie dem Irak-Krieg nicht korrigieren musste, kam dem neuen Star zugute. Hillary Clinton konnte sich bis heute nicht dazu durchringen, ihr Ja als Senatorin zu Bushs Irak-Fiasko als Fehler einzugestehen.

Realitäten zu erkennen, gehört nicht zu den Stärken von Hillary Clinton. Das hat auch die Endphase des Wahlkampfs gezeigt. Seit Wochen war klar, dass sie aus eigener Kraft nicht in der Lage sein würde, die Nominierung zu gewinnen. Zu eindeutig lag Obamas Lager vorne. Seit Wochen rieten selbst enge Vertraute, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Der fortgesetzte Zweikampf bedrohe die Einheit der Partei, sagten enge Gefährten, doch Hillary wollte nicht hören.

Die Vizepräsidentschaft als politischer Preis

Oder war doch alles wieder nur Berechnung? Die exorbitanten Schulden, die Clinton im Wahlkampf gemacht hatte, wollte sie sich im Falle ihres Verzichts vom Obama-Lager zurückholen, hieß es. Die Rede war von 23 Millionen Dollar. Außerdem hat der Verzicht einen politischen Preis. Mit ihrer Ankündigung, für die Vize-Präsidentschaft „zur Verfügung zu stehen“, treibt sie ihn für Obama ins Unermessliche. Es ist ein Angebot, das der Kandidat fast nicht ablehnen kann. Schließlich hat sie neben ihren Wahlmännerstimmen die Frauen, die Latinos und die Arbeiter auf ihrer Seite: Diese Wählergruppen zu verprellen, kann sich Obama nicht leisten.

Wenn er also annimmt, bekommt er Hillary und er bekommt Bill – Das wären drei Alphatiere im Weißen Haus. Eigentlich genau zwei zu viel.

Matthias Maus

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