Das Drama des Oskar Lafontaine

MÜNCHEN - Drei dürre Sätze schocken seine Freunde und Gegner: Schon morgen muss sich „Lafo“ einer Operation unterziehen. Heute will er noch einmal auf die politische Bühne. Zum letzten Mal?
Und wieder hat er alle überrascht, schockiert sogar. Es war nichts Politisches diesmal: „Es handelt sich um eine Krebserkrankung“, ließ Oskar Lafontaine verbreiten. Er werde sich einer Operation unterziehen. Der Mann, der so gut austeilen kann, muss brutal einstecken – wieder einmal.
Mit dürren Worten beginnt gestern Nachmittag der vorerst letzte Akt im Drama des Oskar Lafontaine, und es ist nicht sicher, ob es gut endet. „Nach überstandener Operation werde ich zu Beginn des neuen Jahres unter Berücksichtigung meines Gesundheitszustandes darüber entscheiden, in welcher Form ich meine politische Arbeit weiterführe“, heißt es in der Erklärung, die gestern das politische Berlin erschütterte. „Ich werde mich am Donnerstag einer lange geplanten Operation unterziehen“, hieß es. „Lange geplant“, das klingt, als sei der Eingriff nicht so dringlich. Welche Art von Krebs es ist, teilte der 66-jährige Chef der Linkspartei nicht mit. Rolf Linsler, Chef der Linksparteichef im Saarland sagte, die Krankheit sei rechtzeitig erkannt worden. Er rechne nicht damit, dass Lafontaine „allzu lange“ im Krankenhaus bleiben müsse. Der Krebs soll sich noch im Frühstadium befinden, bei einer regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung entdeckt worden sein.
Noch heute soll Lafontaine politisch aktiv werden: Vor dem Landtag in Saarbrücken will er für die Linkspartei die Regierungserklärung der Jamaika-Koalition kontern.
Und am Abend davor die Erklärung – warum? „Um weiteren Spekulationen vorzubeugen“, sagte Linkspartei-Sprecher Hendrik Thalheim. Und davon gab es gerade genug in den letzten Tagen.
Der Rückzug des Saarländers von der Berliner Fraktionsspitze im Oktober hatte für Furore gesorgt, der Vorwurf der Wählertäuschung stand im Raum – und der erneuten Flucht. Flucht, wie im März 1999, als Lafontaine als Superminister in der Regierung Schröder Amt und Würden wegwarf.
Doch diesmal gab es noch ein Gerücht. Der 66-jährige habe eine Affäre mit Sahra Wagenknecht (40), der jungen Altkommunistin der Linkspartei. Lafontaines Ehefrau Christa Müller habe ihm die Hölle heiß gemacht und den Rückzug aus Berlin erzwungen. Als „Teil einer Hass-Kampagne gegen den Parteivorsitzenden, die mit seriösem Journalismus nicht mehr zu tun hat“, wies Parteivize Ulrich Maurer einen entsprechenden Spiegel-Bericht zurück.
Gerüchte um seinen Gesundheitszustand gab es schon länger. Schon im Bundestagswahlkampf war er ungewohnt defensiv aufgetreten.
Einst jüngster Bürgermeister von Saarbrücken, jüngster Regierungschef im Saarland, stürmte der Jesuiten-Zögling zunächst für die SPD voran. Bis zum Bundestagswahlkampf 1990. Eine verwirrte Frau stieß ihm ein Messer in den Hals und verletzte ihn lebensgefährlich. Er überlebte, und er verlor die Bundestagswahl krachend gegen den Einheitskanzler Kohl.
Danach ging es wieder bergauf. 1995, auf dem Mannheimer Parteitag nahm er Rudolf Scharping im Handstreich den Parteivorsitz ab. 1998 führte er die SPD und seinen alten Rivalen Gerhard Schröder ins Kanzleramt. Doch als Finanzminister, auf dem Höhepunkt seiner politischen Gestaltungsmacht, hielt er es nur ein paar Monate aus bei Rot-Grün.
Er warf hin, er stürzte ab, und er kam wieder. Mit dem gewohntem Elan verfolgte er das Projekt der Linkspartei. So erfolgreich er dabei war (11, 9 Prozent bei der Bundestagswahl), so sehr holt ihn jetzt der Schicksalsschlag ein. Der Elan des Oskar Lafontaine, er ist erst einmal gebremst.
Matthias Maus