Das Dilemma für die Bundesbank: Was tun mit Sarrazin?

FRANKFURT/BERLIN - Die Bundesbank bestellt ihr polarisierendes Vorstandsmitglied ein. Am Mittwoch könnte eine Entscheidung fallen – aber ein Rauswurf wird nicht einfach. Das weiß der Buch-Autor auch.
Für die Bundesbank ist der Fall Sarrazin ein Image-Desaster: Vorstandschef Axel Weber ist schon lange unglücklich mit seinem umstrittenen Vorstandsmitglied, Herr geworden ist er ihm bisher nicht. Für gestern war Thilo Sarrazin zu einem Gespräch einbestellt, schon heute könnte eine Entscheidung fallen.
Die Bundesbank hat ihr Vorstandsmitglied nach Frankfurt zitiert. Der Ethik-Beauftragte der Notenbank – der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Uwe Schneider – soll mit Sarrazin reden und prüfen, ob er gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank verstoßen hat. In Punkt 1, Absatz 3 heißt es da, Mitglieder des Vorstands müssten sich „jederzeit in einer Weise verhalten, die das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank aufrechterhält und fördert“.
Über das Ergebnis will Schneider anschließend mit dem Vorstand beraten. Heute findet ohnehin turnusmäßig eine Vorstandssitzung statt. Dabei werden die fünf anderen Vorstände mit Sarrazin reden, hieß es. Womöglich falle dann eine Entscheidung. Ob er wegen seiner anti-muslimischen Thesen oder auch den Äußerungen zu angeblichen juden-eigenen Genen rausgeworfen wird, liegt in der Hand der Banker: Sie müssten mit Mehrheit für seine Ablösung votieren, erst dann würden noch Bundespräsident und Bundesregierung gefragt.
Experten sehen aber hohe Hürden. Joachim Vetter, Chef des Bundes der Arbeitsrichter, sieht wenig Chancen. „Das reicht kaum aus, um ihn zu entlassen.“ Dazu brauche es eine „gravierende dienstliche Verfehlung“, Meinungsäußerungen reichten nicht aus.
Bankchef Axel Weber war ohnehin nicht glücklich, als die Länder Berlin und Brandenburg ausgerechnet Sarrazin als Vorstand nominierten, der schon als Finanzsenator durch seinen Hang zum Polarisieren auffiel und nicht recht in die Welt der geräuschlosen Notenbanker passte. Bei den ersten Eklats – etwa als er über Muslime herzog, die dem Staat auf der Tasche liegen und „ständig neue Kopftuchmädchen produzieren“, oder im übrigen auch anregte, die Rente auf Hartz-IV-Niveau zu kürzen – wurden ihm Kompetenzen entzogen, etwa fürs Bargeld. Doch Sarrazin lässt sich, wie sein neues Buch zeigt, davon nicht stoppen: Und das schadet mittlerweile Weber auch persönlich. Er galt bisher als Favorit für die Nachfolge an der Spitze der Europäischen Zentralbank 2011, die Causa Sarrazin hat seine Chancen nun gemindert – er erscheint als jemand, der seinen Laden nicht im Griff hat.
Aus der Politik kommen zahlreiche Forderungen an die Bundesbank, Konsequenzen zu ziehen und Sarrazin zu entlassen. Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU): „Er ist nicht mehr tragbar.“ Doch Sarrazin ist sich offenbar seiner Sache sicher – er habe sich anwaltlich beraten lassen, hieß es. Bankexperten schütteln den Kopf, dass die Bundesbank es versäumt habe, solche Dinge vorab vertraglich zu regeln – Sarrazins Streitlust sei doch bekannt.
Ähnlich wie der Bundesbank geht es der SPD, die nun ein neues Parteiordnungsverfahren gegen ihn einleitet – ein erstes war im Frühjahr gescheitert. Der Schriftsteller Günther Wallraff riet aber davon ab: Die SPD solle ihn lieber „als Karteileiche ausdünsten lassen“, damit er nicht eine neue Partei gründet. Der Bundesbank riet er, ihr Vorstandsmitglied „mal wirklich arbeiten zu lassen – dann hat er nicht so viel Zeit“. tan