Das Comeback der lustvollen Liberalen

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist zurück an den Hebeln der Macht - und zwar mit Genuss. Ein Porträt der neuen starken Frau in der FDP
von  Abendzeitung
Muss sich bisher bei den Studiengebühren Bayerns FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beugen: Ministerpräsident Horst Seehofer.
Muss sich bisher bei den Studiengebühren Bayerns FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beugen: Ministerpräsident Horst Seehofer. © dpa

MÜNCHEN - Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist zurück an den Hebeln der Macht - und zwar mit Genuss. Ein Porträt der neuen starken Frau in der FDP

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist auf 180: Der Bundestag berät in dieser Woche ein Gesetz, das dem BKA das Ausschnüffeln privater Computer erlaubt. „Rechtsstaatlich völlig unzureichend. Die FDP wird das im Bundestag ablehnen.“ Allein: Bei einer großen Koalition ist die Zustimmung der FDP im Bundestag unerheblich. Aber, so fügt sie hinzu: Ohne Nachbesserungen wird auch Bayern im Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen. Und das ist schon weit wirksamer. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist zurück an den Hebeln der Macht. Und sie genießt es.

Leutheusser-Schnarrenberger liebt solche klaren Ansagen, ist alles andere als konfliktscheu. Bei den Koalitionsverhandlungen in München hat sie mit der CSU vereinbart, dass sich der Freistaat in der Länderkammer enthält, wenn sich die Partner nicht einigen können. Daran lässt sie nicht rütteln, auch wenn das Verhältnis der bayerischen FDP-Chefin zu ihrem alten Bonner Kabinettskumpel Horst Seehofer vertrauensvoll ist: Längst simst sie mit dem schwarzen Schmeichler, tauscht übers Handy vertrauliche Kurznachrichten aus.

"Das ist doch ein doller Coup gewesen"

Entscheidend für Leutheusser-Schnarrenberger ist: Ihre FDP regiert jetzt auch in Bayern mit. So wie bereits in Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW, dort überall mit der CDU. Der Unterschied zum Freistaat ist: Wenn Schnarrenberger derzeit bei jeder Gelegenheit ihr Sprüchlein aufsagt, die FDP werde "Bayern ein Stück liberaler machen", dann denkt kaum jemand an soziale Kälte und Neoliberalismus. Sondern an Bürgerrechte, Freiheit und die Schwulenehe. Das ist das Verdienst der 57-jährigen Bundestagsabgeordneten vom Starnberger See. Wenn das kein Signal für Berlin ist. "Das ist doch ein doller Coup gewesen", sagt sie.

Und freut sich über die Porträts in der überregionalen Presse, in denen sie derzeit als "die neue starke Frau der FDP" gefeiert wird. In der Tat hat sie es vor allem den Männern gezeigt. Zuvorderst dem ausgelaugten, graugesichtigen CSU-Tandem. Beckstein und Huber mussten derselben Leutheusser-Schnarrenberger, die sie im Wahlkampf noch als personifiziertes Sicherheitsrisiko beschimpft hatten, plötzlich jovial am Verhandlungstisch gegenübersitzen. Offenbar habe man sie in der alten CSU vorher falsch eingeschätzt, sagt Schnarrenberger nicht ohne Genugtuung: "Die haben wohl geglaubt: Mit der kann man gar nicht reden, die kann auch nicht verhandeln, denkt immer nur an Videoüberwachung und Lauschangriff, ansonsten ist die vollkommen durch den Wind."

Im eigenen Lager kann sie knallhart durchgreifen

Dass sie knallhart durchgreifen kann, zeigt Leutheusser-Schnarrenberger, wenn es sein muss, auch im eigenen Laden. Als sich der FDP-Landtagsabgeordnete Georg Barfuß eigenmächtig zum neuen Integrationsbeauftragten des Freistaats ausrief und wirr über die Scharia in Bayern faselte, fackelte die Chefin nicht lange: Die Äußerungen des Parteifreundes seien "absolut abwegig", diktierte Schnarrenberger den Journalisten mit schneidender Stimme in den Block: "Unser Wertekanon ist das Grundgesetz. Daran machen wir keinerlei Abstriche." Kurz darauf verzichtete Barfuß auf den Posten.

Gezeigt hat sie es auch Guido Westerwelle - nur Leutheusser-Schnarrenberger selbst würde das natürlich nie so formulieren. "Ich bin gerne unter Siegern", krähte der FDP-Chef während des Bayern-Wahlkampfes in die Bierzelte - und drückte die Westfälin aus Feldafing unter spitzen "Sabine"-Rufen ostentativ an sein Herz. Dabei war man sich längst nicht immer so innig zugetan. Das Verhältnis zwischen dem Apostel des Neoliberalismus und seiner bayerischen Statthalterin hat sich erst verbessert, als Westerwelle erkannte, dass die FDP Wahlen nur gewinnen kann, wenn sie sich programmatisch verbreitert. Und nicht nur auf die Wirtschafts- und Steuerpolitik setzt. "Ich denke, dass das Verhältnis gut ist", sagt Schnarrenberger heute über Westerwelle, spricht von einem "fairen und offenen Umgang". Herzlich würde anders klingen.

Rückkehr auf den alten Minister-Sessel?

Schnarrenberger ist mächtig stolz auf sich: "Seit acht Jahren mache ich als Landesvorsitzende Dienst an der Front." Als sie im Jahr 2000 den verschuldeten, außerparlamentarischen liberalen Haufen übernahm, traute niemand der FDP zu, auch nur einen Blumentopf zu gewinnen. Jetzt hocken zwei brave, loyale FDP-Männer im Kabinett Seehofer. So dass die Chefin gelassen in ihrem chicen Berliner Bundestagsbüro unter den Linden sitzen kann. "Die, die mich gut kennen, hätten sich eher gewundert, wenn ich jetzt nach München gegangen wäre", sagt sie. Ihr Motto sei: "Schuster, bleib bei deinen Leisten." Sie sei eben Expertin für Innen und Recht. "Und außerdem wache ich nicht mehr morgens auf und sage: Ich muss Ministerin werden."

Gleichwohl: Schnarrenberger ist überzeugt, mit ihren Steckenpferden Innen-und Rechtspolitik in Berlin "noch einiges bewegen" zu können. Sie sprüht vor Lust und Tatendrang, freut sich auf den Wahlkampf 2009. In einer schwarz-gelben Koalition, aber auch in einem Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen, kann sie sich Chancen auf ein Comeback ausrechnen: Noch einmal den Stuhl der Bundesjustizministerin erklimmen, auf dem sie unter Helmut Kohl bereits saß.

Um Klagen über "SLS" zu hören, muss man länger wühlen. Mitglieder des Landesvorstandes, heißt es dann, hätten "bisweilen darüber gestänkert, dass Schnarrenberger wichtige Entscheidungen meist alleine oder im kleinen vertrauten Zirkel" treffe. Vor allem junge Liberalen schätzen dagegen die Beharrlichkeit, mit der die Juristin auch in Zeiten für freiheitliche Bürgerrechte und Datenschutz gekämpft habe, in denen das Thema nicht in Mode war. Und: Noch immer wird ihr Respekt entgegengebracht für ihren Rücktritt als Ministerin - aus Protest gegen den großen Lauschangriffs. "Die ist für uns so eine Art Ikone der liberalen Glaubwürdigkeit", so ein Jungliberaler zur AZ. "Irgendwie eine zweite Hildegard Hamm-Brücher."

Markus Jox

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