Das Bündnis und die Olympia-Bewerbung: Grüne Schlittenfahrt

Olympia spaltet die Ökopartei immer tiefer. Sogar ein Mediator muss helfen. CDU,CSU und FDP freut’s: Endlich haben sie ein Thema, mit dem sie den Höhenflug ihres Angstgegners stoppen wollen.
von  Abendzeitung
Claudia Roth: Das Thema Olympia 2018 bereitet ihr innerparteilich Sorgen
Claudia Roth: Das Thema Olympia 2018 bereitet ihr innerparteilich Sorgen © dpa

MÜNCHEN - Olympia spaltet die Ökopartei immer tiefer. Sogar ein Mediator muss helfen. CDU,CSU und FDP freut’s: Endlich haben sie ein Thema, mit dem sie den Höhenflug ihres Angstgegners stoppen wollen.

Eigentlich war Theresa Schopper (49) eine brave Schülerin. Bis zur Winter- Olympiade in Innsbruck 1976, als sich Franz Klammer mit Bernhard Russi am Patscherkofel ein spektakuläres Duell lieferte und Gold holte. Sie schwänzte die Geschichtsstunde, rannte heim vor den Fernseher. Inzwischen ist Schopper Chefin der bayerischen Grünen und flammende Befürworterin der Winterspiele in München und Garmisch. Genauso wie Claudia Roth, die Bundesvorsitzende. Sagen dürfen das die beiden aber nicht mehr. Ihre Parteibasis ist dagegen, lehnt eine Bewerbung kategorisch ab. Olympia spaltet die Grünen immer tiefer – CDU, CSU und FDP haben endlich ein Thema, um mit ihrem Angstgegner Schlitten zu fahren.

Genüsslich fielen diese Woche erst CSU-Chef Horst Seehofer in München, dann Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin über die Grünen her. „Wenn das so weitergeht, werden die Grünen für Weihnachten sein, aber gegen die Adventszeit“, spottete die CDU-Vorsitzende.

Die Bescherung hat die Öko-Partei schon. Jetzt, wo sie mit ihrem Höhenflug der Macht greifbar nahe ist. Das „Nein“ zu Olympia könnte auch das Image eine reine „Dagegenpartei“ zu sein, zementieren. Claudia Roth musste aus dem Olympia-Kuratorium austreten. Die bayerischen Grünen suchten sogar bei einem Mediator Hilfe. „Das gute Bild einer konzeptionellen Partei wird dadurch nicht befördert“, giftet Jürgen Trittin. Und lästert: „Zu dem Vorwurf, da würden Hänge künstlich beschneit, kann ich nur sagen: Die Hälfte dieser Versammlung fährt in den Wintersport, und die machen da nicht alle nur Langlauf auf nicht beschneiten Loipen“. Inzwischen geht in der Partei der Witz um: „Ein Grüner hört, in Bayern gibt’s Schneekanonen. Was macht er? Er fährt nach Österreich zum Skifahren!“

Eingefädelt hatte den Parteitagsbeschluss der Münchner Landtagsabgeordnete Ludwig Hartmann (32). Unterstützt wird er von Katharina Schulze (25), die Grünen-Chefin in München werden will. Kurz vor Mitternacht hatte sie auf dem Grünen-Treffen in Freiburg das „NOlympia“ durchgesetzt, mit 289 zu 244 Stimmen und 70 Enthaltungen.

Allein ihr Antrag ist für den politischen Gegner ein gefundenes Fressen: Eine Sportfeindlichkeit der Grünen könnte man daraus ableiten. Und die Fußball-WM mit dem Sommermärchen hätte danach auch nie veranstaltet werden dürfen. Argumenten sind den Olympia-Gegnern nicht mehr viele geblieben. Denn die Bewerbung setzt vor allem auf Ökologie.

„Die köcheln doch nur noch ein dünnes Wassersüpperl“, heißt es in den eigenen Reihen. Aus dem Bürgerbegehren, mit dem die Spiele-Boykotteure seit Monaten drohen, scheint nichts mehr zu werden. Längst ist ihnen eine Mehrheit in Garmisch nicht mehr sicher. Ihr letzter Trumpf, die aufmüpfigen Bauern, wurden von Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider befriedet. Katharina Schulze ficht das nicht an. „Auch wenn es uns jetzt einige Prozent kostet“, sagt sie. „Man muss zu seinen Idealen stehen. Wir machen doch nicht Politik wegen der Wählerstimmen, sondern um was zu verändern.“

Was aber, wenn München und Garmisch die Spiele bekommen? „Die große Frage ist, was wir dann machen?“, zerbrechen sich die grünen Strategen schon den Kopf. Denn die Bewerbung stoppen können die Olympia-Gegner nicht. Sie werden von den Grünen im Münchner Stadtrat eiskalt ignoriert. Die haben sich für die Winterspiele entschieden und bleiben dabei. Ihr Fraktionschef Siegfried Benker: „Wir werden unsere Meinung nicht mehr ändern. Da geht es auch um unsere Glaubwürdigkeit.“ Münchens Umweltreferent Joachim Lorenz fordert Schulze jetzt auf, ihre Kandidatur als Münchner Parteivorsitzende zurückzuziehen. Einer in der grünen Stadtratsfraktion ist bei Olympia besonders emsig, verteilt bei jeder Gelegenheit Anstecker mit Olympia 2018. Der Grüne-Stadtrat Boris Schwarz. Er teilt die Leidenschaft für die Winterspiele mit seiner Ehefrau: Und die ist Theresa Schopper.Angela Böhm

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