Das bittere Ende des Prinzen: CSU-Chef Erwin Huber wirft hin

Jahrelang war Erwin Huber Edmund Stoibers Sherpa, der fleißige Wasserträger. Jetzt erleidet der brave, emsige Niederbayer dasselbe Schicksal wie einst sein Chef - die eigene Partei jagt ihn vom Hof. Nach nur 13 Monaten Regenschaft in der CSU-Landesleitung.
von  Abendzeitung
Wenn Frust und Erleichterung sich mischen: Erwin Huber
Wenn Frust und Erleichterung sich mischen: Erwin Huber © AP

MUENCHEN - Jahrelang war Erwin Huber Edmund Stoibers Sherpa, der fleißige Wasserträger. Jetzt erleidet der brave, emsige Niederbayer dasselbe Schicksal wie einst sein Chef - die eigene Partei jagt ihn vom Hof. Nach nur 13 Monaten Regenschaft in der CSU-Landesleitung.

Einen wunderschönen guten Morgen in der CSU-Landesleitung“, gibt der Mitarbeiter im Cordanzug eine Tonprobe ins Mikro am Rednerpult. Mehrmals wiederholt er diesen Satz: „Einen wunderschönen guten Morgen, willkommen in der CSU-Landesleitung.“ Vielleicht ist es bis zu dem Kollegen noch nicht durchgedrungen – aber die CSU erlebt an diesem Tag alles andere als einen „wunderschönen guten Morgen“.

Heute tritt ihr Parteichef Erwin Huber nach nur 13 Monaten Regentschaft zurück, unter dem Druck der wütenden Oberbayern-CSU, nach dem schlechtesten Landtagswahlergebnis aller Zeiten. Es ist kein schöner Morgen, sondern der bitterste Tag für einen, der sein Leben lang an die Spitze wollte.

Plötzlich öffnet sich eine Tür, Unruhe im Raum – aber es ist nur Hans-Michael Strepp, der CSU-Sprecher. Bitter lächelnd stellt er sich vor die Presse: „Meine Damen und Herren, gleich kommt der Herr Parteivorsitzende und gibt eine Erklärung ab. Ich bitte, von Nachfragen abzusehen.“ Das klingt wie: „Ich bitte, von Beileidsbekundungen am Grabe abzusehen.“

Hubers niederbayerische Nuschelei ist plötzlich verflogen

Leichenblass schleicht Erwin Huber schließlich ans Rednerpult, ganz langsam, er braucht eine gefühlte Ewigkeit für die wenigen Schritte. Einige Sekunden steht er einfach nur da, blinzelt ins Blitzlichtgewitter. „Die CSU hat ein schwieriges Wahlergebnis zu bewältigen“, kommt ihm schließlich über die Lippen. „Mir ist es wichtig, dass das in einem geordneten Verfahren geschieht. Ich werde beim Sonderparteitag mein Amt als CSU-Vorsitzender zur Verfügung stellen.“

Huber redet langsam und ganz klar. Nichts ist mehr zu hören von seiner so oft belächelten niederbayerischen Nuschelei. Er wirkt hochkonzentriert – und gleichzeitig irgendwie erlöst. „Ich danke meiner Partei für das Vertrauen und für die Unterstützung, die ich in diesem höchsten Parteiamt bekommen habe“, sagt er weiter.

Dieses Amt war sein Ziel, die Partei sein Lebensinhalt. Jahrelang war er der treue Diener hinter Stoiber, der emsige Arbeiter in der zweiten Reihe. Hocharbeiten, das war er gewöhnt. Der jüngste Sohn einer alleinstehenden Tagelöhnerin, die nach dem Krieg in Niederbayern auf einem Bauernhof schuftete, musste in seinem Leben stets kämpfen. 1988 holte ihn Franz Josef Strauß als Generalsekretär in die Parteizentrale, sechs Jahre später machte ihn Edmund Stoiber zum Staatskanzleichef.

Er war der Prinz Charles der bayerischen Politik

Nach drei Jahren als Finanzminister boxte Huber für seinen Chef pflichtschuldig die unpopuläre Verwaltungsreform durch. Er war Stoibers Sherpa, Kofferträger, Mann fürs Grobe. Und der ewige Thronfolger. Erwin Huber war der Prinz Charles der bayerischen Politik.

2005 schien endlich sein Ziel zum Greifen nah, King Stoiber sollte als Superminister nach Berlin und Huber galt als Favorit für die Nachfolge. Im letzten Moment warf Stoiber hin, kehrte zurück – und der Thronprinz trollte sich folgsam auf den Wirtschaftsminister-Posten. Doch innerlich gärte es da schon, und der Putsch gegen Stoiber war nur noch eine Frage der Zeit.

Aber nach den Kreuther Nächten, in denen er gemeinsam mit Beckstein die Machtübernahme auskartete, ging alles schief: Bei den Kommunalwahlen fuhr die CSU ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein, panisch dokterten Beckstein und Huber am Rauchverbot herum. Dann kamen Transrapid, BayernLB – und auch das persönliche Format des Erwin Huber. Als „Kaczynski-Brüder“ wurde das CSU-Tandem in Berlin verspottet, Bundespolitiker ätzten, man sei schon froh, wenn Huber im Koalitionsausschuss mal einen Satz unfallfrei zu Ende bringe.

Parteichef Huber wird in den CSU-Annalen eine Fußnote bleiben

Heute spult Huber sein Statement in gespenstischen eineinhalb Minuten ab. „In meinen 13 Monaten als CSU-Vorsitzender war es mein Ziel, die CSU stabil und zukunftsfähig zu halten“, sagt er und lächelt sogar ein bisschen. Nur ein Jahr war Huber Parteichef – er wird in den CSU-Annalen eine Fußnote bleiben. Huber weiß das, und vielleicht sagt er deshalb zum Schluss: „Mit meinem Steuerkonzept habe ich Impulse im Sinne christlich-sozialer Politik gesetzt, die weit über meine Amtszeit hinaus wirken werden.“ Wenigstens das soll bleiben.

Gemeinsam mit Günther Beckstein hatte Huber nach der Macht gegriffen – jetzt ist nur noch einer übrig. Beckstein hat die Presse gestern Nachmittag ebenfalls einbestellt, in die Staatskanzlei. „Ich danke Erwin Huber ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit“, sagt Beckstein. „Exzellent“ und „vertrauensvoll“ sei sie gewesen. „Es war wirkliche eine gute Zeit mit ihm.“ Erwin Huber wurde vom Tandem geschubst, Beckstein radelt jetzt alleine weiter. Aber wie lange kann er das Gleichgewicht noch halten?

Annette Zoch

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