"Das Bier ist fad im Sozialismus"
Der Politische Aschermittwoch in Passau - er war eine Premiere für das CSU-Duett Beckstein, der Einheizer und Huber, der Volkstribun. Und mit Edmund Stoiber als stillem Star.
Von MARKUS JOX Man wäre zu gerne das linke Ohr von Beate Merk beim Politischen Aschermittwoch der CSU. Dieses Ohr erfährt fast vier Stunden lang die Einlassungen des Ehrenvorsitzenden der CSU über seine Nachfolger. Während Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber sich vor dem schwarzen Polit-Stammtisch abrackern, flüstert und zischt Edmund Stoiber der CSU-Vizechefin aus Schwaben immer wieder Kommentare zu.
Seltsam fade Stimmung
Stoibers verkniffene Miene sieht nicht so aus, als würde er Lobeshymnen singen. Überhaupt ist die Stimmung heuer seltsam fad in der Dreiländerhalle: Zwar schmettert wie immer die Blasmusik, die Bühne ist telegen gestylt, und an der Wand hängen die servilsten Plakate der CSU-Basis („Haderthauer- Frauenpower“, „Lieber Beckstein als Beck sein!“). Aber der Saal ist deutlich luftiger bestuhlt als im Vorjahr – die offizielle Zahl von 6000 Besuchern liegt mindestens um ein Drittel zu hoch.
Während Beckstein und das Ehepaar Huber (Marga Beckstein blieb lieber beim Skifahren) in die Halle einziehen, fällt der Beifall spärlicher aus als für Stoiber, der unter „Edmund“-Rufen majestätisch grüßend durch den Mittelgang geschritten war. Letztes Jahr noch hat sich Stoiber hier in Rage geredet. War die alleinige Hauptperson. Heute muss er schweigen in Passau, es muss grausam sein für ihn.
Beckstein als Einheizer, Huber als Volkstribun
Heuer soll Passau im Zeichen des Tandems stehen: Beckstein als Einheizer, Huber als Volkstribun – kann das gut gehen? Die Büchsenspanner von der CSU haben im Vorfeld versucht, Zweifel an Charisma und Rhetorik des Duos zu zerstreuen: Man werde nicht wie einst bei der Doppelspitze Waigel-Stoiber „das Rededuell einer Zwangsehe“ erleben, „sondern das harmonische Duett eines Liebespaares“.
Jetzt sitzen die beiden Turteltäubchen in Reihe eins, wirken blass und nervös, fummeln an ihren Manuskripten herum. „Mach’s gut“, sagt Huber – und klopft Beckstein auf den Rücken, der als Erster dran ist. Prompt verspricht er sich, haspelt, verschluckt Silben. Stoiber flüstert viel in Merks Ohr.
Die Spannung löst sich ein wenig mit Becksteins erstem guten Gag: „Wer mit den Linken ins Bett geht, bekommt keinen demokratischen Nachwuchs“. Die heftige Watschn für die Nokia-Manager dagegen, die laut Beckstein „die soziale Marktwirtschaft kaputtmachen“, geht etwas unter. Die dächten nur an ihre Quartalsbilanzen und an ihre Gehälter, nicht aber an die Menschen: „Die wollen den puren Kapitalismus, das wollen wir nicht.“
Zum Rauchen vor die Tür
Die Parteipromis lesen Zeitung, simsen, schwatzen. Und während Beckstein holpernd über konservative Werte und Nächstenliebe referiert, steht die Parteijugend beim Rauchen vor der Tür. Ein blasser Bub redet sich in Rage: „Die Scheiß-Ossis. Hom vierzg Johr DDR ghabt, und jetzt wählen’s wieder links. Denen ghört doch rechts und links eine…“
Erwin Huber hat seit Weihnachten an der Passauer Rede geschrieben, lässt er vorab wissen. Am Pult trägt er die durchaus inhaltsreiche Rede seltsam abgehackt vor, stößt Sil-be für Sil-be einzeln aus: SPD stehe für „Sozialismus gesät, Pleiten geerntet, Durcheinander gestiftet“, bemüht Huber ein überkomplexes Wortspiel.
Dann ruft er das Volk zum „Maßkrug-Test“ auf: Das SPD-Verständnis von sozialer Gerechtigkeit vergleicht er mit einem „staatlichen Bier-Umverteiler“, der den Gerstensaft in den unterschiedlich vollen Krügen so lange hin und her schüttet, bis alle wieder gleich voll sind: „Das Bier ist dann so fad wie das Leben im Sozialismus“, ruft Huber aus. Naja.
Ehe und Familie, Vaterland, Freiheit und Sicherheit, die Leitkultur, Schutz des Lebens, christliche Werte, Schimpfe für die Linke, Huber hakt alles ab. Aber er redet in eine wachsende Geräuschkulisse hinein. Erst als er den alten Stoiber- Spruch recycelt, in Bayern würden christliche Werte gelten und nicht die Scharia, erwacht das Publikum wieder. „Wir haben keinen Richtungsstreit in der CSU“, versucht sich der Parteichef schließlich noch in umarmender Rhetorik: „Wirtschaftsund Sozialkompetenz können nur gemeinsam zum Erfolg führen.“
Problemfreie Zone in der CSU
Auch Dauer-Rivale Horst Seehofer in der zweiten Reihe, der Huber und Beckstein in Passau buchstäblich im Nacken sitzt, will öffentlich nichts von parteiinternem Knatsch wissen: „Wir sind eine problemfreie Zone in der CSU.“ Sagt’s – und lächelnd vielsagend.
Auch ihm flüstert Edmund Stoiber Einiges ins Ohr, allerdings ins rechte. Am Schluss hat Beckstein 70 Minuten gesprochen, Huber über 90. Der Ministerpräsident erhielt knapp drei Minuten Applaus, der Vorsitzende etwas mehr. Beide tragen noch ihr Sakko, Huber sogar mit Einstecktüchlein. Das wäre Stoiber nicht passiert – er wusste, wann es Zeit ist für Hemdsärmeligkeit.
Dank an den "lieben Edmund"
Generalsekretärin Haderthauer spricht das Schlusswort, bedankt sich auch beim „lieben Edmund“. Die Halle kocht. Zum ersten Mal so richtig.