Das 50-Millionen-Urteil

Jeder zweite Verbraucher will den Stromanbieter wechseln. Jetzt stärkt ein Urteil des Bundesgerichtshofs kleine Energie-Anbieter und bestraft die Energieriesen für Abzocke. – Verbraucher haben wenig davon.
von  Abendzeitung
Freut sich über den Rückschlag für die Stromkonzerne: Matthias Kurth, Chef der Bundesnetzagentur.
Freut sich über den Rückschlag für die Stromkonzerne: Matthias Kurth, Chef der Bundesnetzagentur. © dpa

Jeder zweite Verbraucher will den Stromanbieter wechseln. Jetzt stärkt ein Urteil des Bundesgerichtshofs kleine Energie-Anbieter und bestraft die Energieriesen für Abzocke. – Verbraucher haben wenig davon.

Matthias Kurth, der Chef der Bundesnetzagentur, konnte zufrieden sein, und auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos jubilierte: „Dies ist ein guter Tag für die Verbraucher.“ Nur ein Sprecher des Energieversorgers Vattenfall sagte, er sei „gar nicht happy“. Kein Wunder: Am Donnerstag verpasste der Bundesgerichtshof Vattenfall eine schallende Ohrfeige für dessen Preisgestaltung.

Worum geht es? Vattenfall verlangt von Anbietern, die seine Leitungen nutzen, Gebühren. Soweit, so korrekt – nur hat der schwedische Konzern die Kosten allzu großzügig kalkuliert, urteilte die Bundesnetzagentur. Die Behörde wacht über die Stromkonzerne, damit sich diese nicht mit Phantasie-Gebühren lästige Konkurrenz durch Billiganbieter vom Hals halten können. Deswegen verpflichtete Kurth Vattenfall vor zwei Jahren, die Gebühren um 18 Prozent abzusenken. Ziel des Stromnetz-Regulierers: Die Verbraucherpreise sollten sinken.

Vattenfall wollte sich nicht dreinreden lassen, argumentierte, ihm gingen 100 Millionen Euro verloren, wenn sich Kurth durchsetzen würde. Der Konzern ließ sich auf einen Rechtsstreit ein – und bekam vom BGH einen Dämpfer verpasst. Vattenfall habe 50 Millionen Euro zuviel verlangt, urteilten die Richter – Geld, das dem Konzern demnächst, wenn die Gebühren für die Leitungen neu genehmigt werden, abgezogen wird.

Wem nützt das Urteil?

Zunächst einmal den Anbietern, die im angestammten Verbreitungsgebiet von Vattenfall Kunden aquirieren oder auch nur die Überland-Leitungen nutzen. Sie bekommen jetzt Geld zurück. Das Urteil hat außerdem Signalwirkung für die gesamte Branche: Die Platzhirschen in den jeweiligen Versorgungsgebieten – in Bayern ist es Eon – wissen jetzt, dass sie die Bundesnetzagentur ernst nehmen müssen. Das ist für neue Anbieter, die günstigen Strom verkaufen wollen, beruhigend.

Haben auch die Privatkunden etwas davon? Steffen Küßner vom Bundesverband der Verbraucherzentralen gießt den Endkunden Wasser in den Wein. Es sei offen, ob Anbieter, die ihren Strom durch die Vattenfall-Leitungen in die Haushalte schickten, die verordnete Preissenkung an den Bürger weitergeben, sagte er zur AZ. Und selbst wenn sie es täten, „macht das nur 0,1 Cent pro Kilowattstunde aus“. Ein Singlehaushalt, der 2000 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht, würde dadurch über zwölf Monate hinweg gerade mal zwei Euro sparen. „Dieser Vorteil wird durch die Steigerungen bei den anderen Faktoren, die den Strompreis bestimmen, leicht aufgefressen.“

Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher ist noch pessimistischer. Auch er begrüßte das BGH-Urteil, sieht aber skeptisch in die Zukunft. Der Grund ist die so genannte Anreizregulierung, die ab Januar 2009 gelten soll. Sie sieht vor, dass bei der Kalkulation der Leitungsgebühren das jeweils effektivste Unternehmen Maßstab sein soll. „Hört sich gut an“, sagte Peters zur AZ. Aber so, wie die Anreizregulierung in der Praxis umgesetzt würde, „sind die Spielräume für die Kalkulation viel zu groß“. In Peters’ Augen leidet der Gesetzgeber immer noch unter einer Beißhemmung gegenüber den Konzernen – zu Lasten der kleinen Verbraucher.

Susanne Stephan

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