Darf man töten? Oder sich darüber freuen?

Moralisch, rechtlich, ethisch: das Dilemma um die Reaktionen auf die Erschießung des Terror-Führers Osama bin Laden  
von  az

Moralisch, rechtlich, ethisch: das Dilemma um die Reaktionen auf die Erschießung des Terror-Führers Osama bin Laden

Washington, Berlin - Glückwunsch zur Tötung von Osama bin Laden: Ist das zynisch? Darf man sich über die Erschießung von Osama bin Laden freuen oder ist das ein Zeichen von Verrohung? Eine schwierige Frage nach den Ereignissen in Pakistan.

In Washington feiern jubelnde Massen den Tod Osama bin Ladens, der Nato-Generalsekretär gratuliert den USA, Bundesaußenminister Westerwelle begrüßt die Tötung des „brutalsten Terroristen der Welt”.

Erleichterung empfinden wohl die meisten – aber Freude? Ist das nicht trotz all seiner Verbrechen menschenverachtend? „Glückwunsch” und „Gratulation” klingt in dem Zusammenhang auf jeden Fall merkwürdig. „Ein Christ sollte niemals den Tod eines Menschen begrüßen”, sagt Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Auch Theologieprofessor Hubertus Lutterbach ist über die öffentliche Freude vor allem in den USA irritiert: „Ich finde es sehr befremdlich, dass eine stark christlich geprägte Kultur sich so etwas zu eigen macht. Ich halte das einer aufgeklärten Gesellschaft für unwürdig.”

Dagegen räumt Vatikan-Berater Manfred Lütz ein: „Natürlich freut man sich nicht, wenn jemand getötet wird. Aber richtig traurig bin ich auch nicht gewesen.” Möglicherweise könne man von Notwehr sprechen, sagt er und zieht den Vergleich zum Hitler-Attentat. Eine ganz andere Frage ist, ob auch bei dem Terroristenführer Bin Laden die Vorgaben für einen Tyrannenmord erfüllt waren.

Rechtlich ist es etwas einfacher, sagt der Berliner Völkerrechtler Christian Tomuscht. Die Tötung bin Ladens sei nicht offensichtlich völkerrechtswidrig, im Gegenteil. So genannte gezielte Tötungen seien deswegen zu verurteilen, weil erstens dabei auch häufig Unschuldige zu Schaden kommen – dies scheint sich in Grenzen gehalten zu haben. Und zweitens, weil die Betroffenen dann keine Gelegenheit hätten, in einem Verfahren ihre Unschuld zu beweisen. Dies treffe im Fall Osama bin Laden, der seine Taten ja nicht abgestritten, sondern gezielt propagiert hat, nicht so zu. Völkerrechtler haben aber Bauchschmerzen, weil die Aktion von Anfang an auf Töten und nicht auf Festnahme zielt. Tomuschat: „Eine Gefangennahme hätte Priorität haben müssen.”

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