"Dann kam Eisen in meine Seele"

Ein Porträt der verstorbenen britischen Premierministerin Margaret Thatcher
von  zo
Margaret Thatcher im Jahr 2009 mit einem Porträt des Künstlers Richard Stone. Es hängt im Amtssitz des Premiers in 10 Downing Street.
Margaret Thatcher im Jahr 2009 mit einem Porträt des Künstlers Richard Stone. Es hängt im Amtssitz des Premiers in 10 Downing Street. © AP

 

Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher ist im Alter von 87 Jahren in London gestorben

LONDON Die Diskussionen über ihr Begräbnis begannen, da war sie noch gar nicht tot: Als im Januar 2012 der Hollywood-Film „The Iron Lady“ ein wohlwollendes Bild von Margaret Thatcher zeichnete, war der Aufschrei in Großbritannien groß.

Der Film mit Meryl Streep in der Hauptrolle sei der erste Schritt zu einer nachträglichen Heroisierung der ehemaligen Premierministerin, hieß es. Dies werde in einem Staatsbegräbnis gipfeln, warnten linke Kommentatoren damals. Bisher war nur Königen und Winston Churchill diese Ehre zuteil geworden. Ein Staatsbegräbnis für Thatcher? Undenkbar!

Thatcher selbst hat diese Debatten glücklicherweise nicht mehr mitbekommen. Sie litt da schon an fortgeschrittener Demenz. Gestern ist sie 87-jährig an einem Schlaganfall in London gestorben. Beigesetzt wird sie in St. Pauls Cathedral in London. Und ein Staatsbegräbnis bekommt sie nicht.

Sie setzte knallhart auf Deregulierung

Ihr politisches Wirken birgt dennoch Stoff für Debatten. Margaret Hilda Thatcher, Baroness Thatcher of Kesteven, Life Peer im House of Lords für die Grafschaft Lincolnshire und Trägerin des Hosenbandordens, bleibt eine der polarisierendsten Politiker-Figuren der Nachrkiegsgeschichte.

Als erste Premierministerin – übrigens in ganz Europa – setzte die Konservative nach ihrem Amtsantritt am 3. Mai 1979 knallhart auf Deregulierung. Ihr erklärtes Ziel war es, den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft vehement zurückzudrängen. Sie privatisierte Staatsunternehmen wie die Bahn, die British Telecom, aber auch lokale Energie- und Wasserversorger.

Besonders die Gewerkschaften machte sie sich zum Feind. 1984 streikten die britischen Bergarbeiter gegen die Privatisierung ihrer Zechen. Ein Jahr lang sollte der Arbeitskampf dauern. Thatcher saß ihn aus – bis die Gewerkschaften kein Geld mehr in den Kassen und sich viele Minenarbeiter privat verschuldet hatten. Thatcher hatte gewonnen.

"Maggie, was haben wir getan?"

Für ihre harte neoliberale Politik bekam sie anschließend sogar ein eigenes Etikett: „Thatcherism“. Die Auswirkungen dieser Politik sind bis heute umstritten. Waren es dringend nötige Strukturreformen, die sich bis heute in einer konsequent niedrigen Arbeitslosenquote niederschlagen? Oder hat der Thatcherism zur Verelendung großer Teile der Bevölkerung und einer nachhaltigen sozialen Zerrüttung der britischen Gesellschaft geführt?

Die britische Rockband Pink Floyd sang 1983 in ihrem Song „Postwar Dream“ über das Elend der arbeitslosen britischen Werftarbeiter: „Für sie ist es bestimmt nicht lustig, unter der aufgehenden Sonne mit all ihren Kindern Selbstmord zu begehen, was haben wir getan? Maggie, was haben wir getan? Was haben wir aus unserem England gemacht?“

Erst der Sieg im Falkland-Krieg 1982 brachte Thatcher wieder mehr Popularität. Doch Kritik wie Lob perlten an ihr einfach ab. Sie hieß nicht umsonst „Eiserne Lady“. Noch bevor der glühenden Antikommunistin dieser Titel von Radio Moskau verliehen wurde, hatte sie einmal gesagt: „Damals kam das Eisen in meine Seele.“

Ihre Kindheit war hart

Damit meinte sie ihre Kindheit. Ihr ganzes Leben war geprägt von Selbstdisziplin, unerbittlicher Härte und freudlosem Verzicht. Margaret Thatcher wurde am 13. Oktober 1925 als Margaret Roberts in Grantham in Lincolnshire in eine streng religiöse Familie hineingeboren.

Ihr Vater Albert Roberts war ein methodistischer Laienprediger. Nicht einmal, nein viermal musste die Familie sonntags in die Kirche. Die kleine Margaret durfte nicht Geburtstag feiern, nicht spielen, keine Freunde treffen. Strenge Gebote ersetzten elterliche Liebe. Sparsamkeit und Askese waren in den Augen von Vater Roberts Ausdruck für moralische Überlegenheit: Margaret und ihre beiden Schwestern mussten noch wie die Menschen im 19. Jahrhundert in einem Kübel im Schuppen baden.

Statt aufzubegehren, fügte sich Margaret aber in diese Gedankenwelt. Bedingungslos. Sie legte sich einen harten Panzer aus Selbsgerechtigkeit zu, der sie in der Schule und am Somerville College in Oxford unter Gleichaltrigen isolierte, und den auch später ihre politischen Gegner immer wieder zu spüren bekommen sollten: „You are utterly and totally wrong“ war ein gern von ihr benutzter Satz: „Sie haben ganz und gar und vollkommen Unrecht.“

Einziger Akt der Rebellion: Die Hochzeit

Ihr einziger Akt der Rebellion gegen ihr Elternhaus war ihre Hochzeit: Weil ihr Ehemann, der wohlhabende Geschäftsmann Denis Thatcher, schon einmal verheiratet war, durfte Margaret in der Methodisten-Kirche nicht im weißen Kleid heiraten. Ihre Eltern missbilligten die Verbindung bis zuletzt.

Doch erst die Unterstützung und auch das Geld ihres Mannes ermöglichten Margaret Thatcher den Aufstieg in der Politik. Nach der Geburt ihrer Zwillinge Carol und Mark wurde sie 1959 zum ersten Mal ins Unterhaus gewählt.

In den Folgejahren hatte sie unter Premier Edward Heath mehrere Kabinettsposten inne. 1975 trat sie gegen ihren politischen Ziehvater Heath in einer Kampfabstimmung um den Vorsitz der Tories an und gewann. Nur ein Beispiel dafür, wie wenig Thatcher sich am Ende um persönliche Loyalitäten scherte.

Politik mit der Handtasche

In der Durchsetzung ihrer Ziele kannte sie keine Gnade, ihre Verhandlungsführung war unerbittlich und knallhart. Legendär wurde ihr Satz: „I want my money back“, mit dem sie den bis heute bestehenden Briten-Rabatt bei den EU-Subventionen raushandelte.

Beliebtes Politik-Instrument war in solchen Verhandlungen ihre Handtasche, die sie gerne demonstrativ auf den Tisch knallte, um damit ihren Standpunkt unmissverständlich klarzumachen. „Handbagging“ wurde das später genannt. Margaret Thatcher hat aber nicht nur den Briten-Rabatt und das Handbagging hinterlassen: Als sie nach dem College drei Jahre lang als Chemikerin tätig war, erfand die „eiserne Lady“ ausgerechnet: das Softeis.

 

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