CSU-Söder über die Kopfpauschale: "Das wäre weder christlich noch sozial"

MÜNCHEN/BERLIN - Die CSU ist nach dem parteiinternen Schlagabtausch über die Gesundheitsreform wieder um Geschlossenheit bemüht. Parteichef Seehofer mahnt eine „vernünftige“ Zusammenarbeit zwischen Berlin und München an. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (43) lässt im AZ-Interview jedoch weiter kein gutes Haar an der FDP-Kopfpauschale – und schließt ein bayerisches Veto im Bundesrat nicht aus.
AZ: Herr Söder, sind Sie eine beleidigte Leberwurst?
MARKUS SÖDER: Warum?
Ihre Berliner CSU-Freunde behaupten, Sie stänkerten nur an der Gesundheitsreform rum, weil Sie selber in der Bundesregierung nichts zu melden haben...
Als Gesundheitsminister muss ich mich um die bayerischen Ärzte und Patienten kümmern. Und als Leiter der Gesundheitskommission der CSU arbeite ich an einem Gesamtkonzept für alle. Jeder, der dort mitmachen will, ist herzlich eingeladen.
Stinkt es Ihnen, dass Sie in der Berliner Regierungskommission nicht mit am Tisch sitzen, aber dafür viele fachfremde Bundesminister?
Nein. Letztlich entscheidet der Bund selbst, was er vorschlägt. Von der Gesundheitspolitik sind in erster Linie die Länder betroffen: Gesetze werden in Berlin gemacht, aber in den Bundesländern umgesetzt. Insofern sind alle Länder ohnehin gefragt, wie sie dazu stehen – übrigens auch im Bundesrat. So ist der Föderalismus.
Sie schließen also nicht aus, eine Gesundheitsreform über den Bundesrat zu kippen.
Wir von der CSU machen ein eigenes Konzept. Und zwar nach den Vorgaben, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben: Wir wollen mehr Wettbewerb unter den Kassen, mehr Gerechtigkeit in der Länderfinanzverteilung, mehr Regionalität. Es kann doch nicht sein, dass niedersächsische Ärzte knapp 18 Prozent Plus bekommen und bayerische Ärzte stehenbleiben. Dass die medizinische Versorgung in den neuen Ländern ständig besser wird, aber in Bayern stagniert. Und dass alles mit den Beitragsgeldern der bayerischen Patienten finanziert wird. Ich bin mir sicher, dass kein bayerischer Bundestagsabgeordneter das dauerhaft unterstützen will.
Was reitet dann Ihre Kollegen in der Landesgruppe, die Ihnen vorwerfen, Sie seien getrieben von Profilierungssucht?
Woche für Woche habe ich im vergangenen Jahr von vielen Kollegen aus dem Bundestag Briefe bekommen mit der tiefen Sorge um die medizinische Versorgung im ländlichen Raum – und der Bitte, dabei zu helfen. Diesen Auftrag habe ich wahrgenommen. All die Sorgen können auf der Grundlage des Koalitionsvertrages behandelt werden. Nur muss endlich begonnen werden, den Koalitionsvertrag umzusetzen.
"Eine Volkspartei kann auf keinen Fall gegen das Volk agieren"
Aber die innerparteilichen Grabenkämpfe müssen Sie doch beunruhigen. Die Berliner CSU-Abgeordneten sprechen schon von der „anderen CSU“ und meinen damit die „Störer“ Parteichef Horst Seehofer, seinen General Alexander Dobrindt und nicht zuletzt auch Sie, Herr Söder.
80 Prozent der Deutschen sind klar gegen die Kopfpauschale. Eine Volkspartei kann auf keinen Fall gegen das Volk agieren. Für die CSU ist es undenkbar, auf die Kopfpauschale einzuschwenken. Sie verletzt das soziale Gerechtigkeitsgefühl und gefährdet die Versorgung in Bayern. Das wäre weder christlich noch sozial.
Aber Sie haben doch den Koalitionsvertrag selbst mitverhandelt, in dem „einkommensunabhängige Beiträge mit einem sozialen Ausgleich“ angekündigt werden. Das ist doch genau die Prämie, die Gesundheitsminister Philipp Rösler jetzt ausarbeitet.
Die Kopfpauschale, wie Rösler sie fordert, steht nicht im Koalitionsvertrag. Ziel ist stattdessen Wettbewerb und Regionalität unter den Kassen. Die absolute Verengung auf eine Pauschale entspricht nicht dem Geist des Koalitionsvertrags. Ich weiß das, ich hab ihn mit verhandelt.
Aber Rösler will doch gar nicht zu 100 Prozent auf Prämie umstellen, sondern nur schrittweise.
Die Aussage von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist doch klar: Eine Finanzierung, so wie sie die FDP andenkt, würde zu einer Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 73 Prozent führen. Es ist unvorstellbar, dass eine christlich-liberale Koalition so etwas beschließen wird.
Die Gräben scheinen tief zu sein zwischen München und Berlin.
Ich halte es für ein elementares Prinzip des Sozialstaats, dass der Starke etwas mehr gibt, damit der Schwache die gleiche medizinische Versorgung bekommt. Dieses Grundprinzip wird durch die Kopfpauschale ausgehöhlt. Im Koalitionsvertrag stehen aber doch viele andere wichtige Dinge für Bayern drin: verbesserte Versorgung im ländlichen Raum, Unterstützung der kleineren Krankenhäuser, Ausbau der Palliativmedizin. Als Gesundheitsminister muss ich frühzeitig vor falschen Weichenstellungen in Berlin warnen, bevor sie uns in Bayern auf die Füße fallen.
Auch die Regierungskommission, die Sie jetzt in Frage gestellt haben, ist im Koalitionsvertrag vereinbart...
Wir haben derzeit erhebliche Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung. Darüber müsste geredet werden. Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass am Ende entweder der Steuerzahler oder die Patienten allein die Zeche zahlen. Da würde ich mir innovative Vorschläge wünschen. Das wäre wichtiger als unnötige Debatten - erst recht innerhalb der CSU.
"Ich habe immer in der Sache argumentiert"
Wobei Sie höchstselbst viel Öl ins Feuer gegossen haben.
Wieso? Ich habe immer in der Sache argumentiert.
Wann treffen Sie FDP-Gesundheitsminister Rösler nun eigentlich endlich mal zum Vier-Augen-Gespräch?
Die Parteivorsitzenden der Koalition hatten im Januar vereinbart, dass wir beide miteinander reden sollten. Ich habe gleich ein Gesprächsangebot gemacht. Daraufhin wurde mir zunächst ein Termin Mitte Mai genannt. Mittlerweile hat er jetzt wohl Ende März Zeit. Das ist aber nicht das Entscheidende: Es braucht weniger ein Gespräch, es braucht mehr Aktionen. Gerade in der jüngsten Diskussion um die Überforderung bayerischer Krankenkassen und das Abfließen von noch mehr Geld aus Bayern ist rasches Handeln gefragt.
Interview: Angela Böhm, Markus Jox