CSU-Rebellion gegen Seehofer
MÜNCHEN - Nach dem schlechten Wahlergebnis ist die Stimmung in der Partei am Boden. Jetzt erinnert ein Ortsvorsitzender den Ministerpräsidenten an ein Versprechen – und fordert seinen Rücktritt.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer ist schwer angeschlagen: gesundheitlich und politisch. Ein „grippaler Infekt“ hatte ihn für drei Tage niedergestreckt. Im Krankenhaus hat er sein Herz untersuchen lassen, um sicher zu gehen, dass es nicht angegriffen ist. Am Montag gab ihm der Arzt die Erlaubnis, wieder zu arbeiten. Seehofer: „Ich bin erst um sieben Uhr freigeschaltet worden.“ Politisch allerdings würden ihn immer mehr gerne abschalten – als CSU-Chef und Ministerpräsident. In Franken rebelliert jetzt die Basis. Die erste Rücktrittsforderung liegt auf dem Tisch.
In einem offenen Brief legt der CSU-Ortsvorsitzende im mittelfränkischen Wieseth, Kurt Taubmann, Seehofer den Rücktritt nahe. „Erinnerungen an Ihr Versprechen bei der Aussprache in Erlangen 2008“, hat der Zimmermann und 3. Bürgermeister den Brief überschrieben, der der AZ vorliegt. „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident“, schreibt er darin. „Sie haben am 21. November 2008 in Erlangen bei der Aussprache für Mittelfranken sinngemäß folgende Aussage gemacht: ’Sie dürfen mich beim Wort nehmen und daran messen, wenn ich ein schlechteres Ergebnis erziele als Herr Beckstein bei der Landtagswahl 2008 hatte, so werde ich als Parteivorsitzender und als Ministerpräsident zurücktreten.’“
Seehofer hatte ein noch schlechteres Ergebnis. Beckstein brachte es bei der Landtagswahl auf 43,4 Prozent. Seehofer unterbot ihn bei der Bundestagswahl noch einmal mit 42,5 Prozent. „Ich möchte Sie an Ihre Worte erinnern“, schreibt Taubmann und fordert: „Bitte teilen Sie mir mit, wie weit Sie als Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU Verantwortung übernehmen und Konsequenzen aus Ihrem noch weit schlechteren Abschneiden ziehen. Ich bitte um eine Stellungnahme.“
Die gibt Seehofer natürlich nicht. Sein persönlicher Referent Martin Huber schrieb zurück: „Sehr geehrter Herr Ortsvorsitzender, lieber Herr Taubmann.“ Seehofer sei der Brief vorgelegt worden und er haben ihn „aufmerksam zur Kenntnis“ genommen. „Aufgrund der laufenden Koalitionsverhandlungen, bei der sich der Parteivorsitzende und Ministerpräsident kraftvoll für bayerische Interessen einsetzt, kann er Ihnen leider nicht persönlich antworten.“
„Mir geht es einfach um Fairness und um Gerechtigkeit."
Was den aufrechten Wiesther Handwerker gegen Seehofer treibt: „Ich bin völlig frei von Emotionen“, sagt Kurt Taubmann der „Fränkischen Landeszeitung“. „Mir geht es einfach um Fairness und um Gerechtigkeit. Beckstein hat seinen Hut nehmen müssen. Seehofer geht zur Tagesordnung über, als wär' nichts gewesen.“ Schon am Abend seines Wahldebakels hatte Seehofer intern die Strategie ausgegeben: „Ich weiß, dass ich verloren habe. Ihr wisst, dass ich verloren habe. Jetzt müssen wir weiter machen.“
Eine geplante Wahlanalyse und Abrechnung in der Landtagsfraktion konnte er vergangene Woche geschickt verhindern. „Die wird verschoben auf den Sankt Nimmerleinstag“, heißt es in der CSU-Fraktion frustriert. Seehofer will nicht mehr zurückdenken. Seine Vorwärtsstrategie: Die CSU verhandelt jetzt in Berlin die Regierung. Und da darf ihm daheim in Bayern niemand in den Rücken fallen.
"Unruhe an der Basis"
Aber auch Kabinettsmitglieder aus anderen Regionen berichten von „Unruhe“ an der Basis. „Wenn es dort in den nächsten Wochen nicht ruhiger wird“, prophezeit einer aus der Regierungsrunde, dann werde es ernst.
Inzwischen traut sich einer nach dem anderen aus der Deckung: Vergangene Woche hatte Innenstaatssekretär Bernd Weiß hingeworfen. Er wollte sich nicht länger von Seehofer demütigen lassen. Als Nachfolger präsentierte der Ministerpräsident gestern den gelernten Maurer und Bauzeichner Gerhard Eck. Der 49-Jährige leitete zwar bisher den Landwirtschaftsausschuss, ist aber Unterfranke. Damit ist zumindest der Regionalproporz gewahrt.
Auch Seehofers Vorgänger Erwin Huber stänkert und kritisiert die Hauptschul-Reform. Mit der Fraktionsspitze wollte Seehofer gestern über ein „Zukunftspapier“ diskutieren. Er giftete, in Berlin würden die „Querschüsse aus den eigenen Reihen“ mit „Häme“ registriert.
Angela Böhm