CSU-Parteitag: Merkel auf Kuschelkurs
Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel umkurvt beim CSU-Parteitag in Nürnberg den Konflikt und nimmt das P-Wort nicht in den Mund. Sie lobt das Steuerkonzept der kleinen Schwesterpartei und wird dafür bejubelt. Ihre Giftspritze setzt sie erst ganz am Schluss.
Um viertel nach Drei ist es endlich soweit: Bundeskanzlerin Angela Merkel rauscht in ihrer dunklen Kanzler-Limousine vor die Halle 7A auf dem Nürnberger Messegelände. Das prominente Empfangskomitee steht sich da schon längst die Beine in den Bauch: CSU-Chef Erwin Huber Seite an Seite mit Ministerpräsident Günther Beckstein und den beiden Generalsekretären Christine Haderthauer und Ronald Pofalla. Eng umschlungen posieren sie bemüht vor den Kameras, um ein Knuddelverhältnis der Schwesterparteien zu demonstrieren.
„Na, sind die Delegierten da?“, flötet Merkel in gespielter Naivität. Vermutlich hat Pofalla ihr längst eine SMS geschickt und gepetzt, dass die Halle halbleer ist. Haderthauer reagiert schlagfertig: „Die Halle ist voll!“ Beckstein strebert hinterher: „Für CSU-Verhältnisse eine außergewöhnlich gute Beteiligung.“ Huber murmelt: „Jaja.“ Merkel startet ihre Rede mit einer Charmeoffensive: Bedankt sich „für die gute Zusammenarbeit“, bittet: „Lasst uns das weiter so machen.“ Die Union in Deutschland könne nur stark sein, wenn die CSU in Bayern stark sei. „Das weiß die CDU, deswegen wollen wir eine enge Zusammenarbeit“, raspelt sie Süßholz. Sie lobt das Technologieland Bayern, das als Nummer Eins dastehe. „Hier hat man gut gewirtschaftet. Ein Land, das nicht mehr auf Pump lebt, sondern einen ausgeglichenen Haushalt hat.“ Die Union werde dafür sorgen, dass der Bund auch so gut dastehe wie Bayern.
Sogar den „Geist und Tradition“ der Politik von Franz Josef Strauß bejubelt sie, schleimt: „Ein Mann, den ich leider nicht mehr kennenlernen konnte.“ Merkel ist ganz auf Kuschel-Kurs: Ihre Rede hat sie mit CSU-Chef Huber eng abgestimmt. Beide hacken wild auf der zerrissenen SPD, den Grünen und den Linken herum: „Mal ja, mal nein, dann wieder nein und ja, das ist das Problem der SPD“, ätzt sie.
Die Delegierten hängen begierig an den Lippen der CDU-Vorsitzenden, unterbrechen sie ständig mit Beifall. Auch wenn Merkel es der CSU nur durch die Blume sagt: Beim Thema Pendlerpauschale bleibt sie knallhart, nimmt das P-Wort nicht in den Mund. Beharrt aber eisern auf einem ausgeglichenen Haushalt 2011: „Wir dürfen nicht weiter auf Pump leben.“ Das Senken von Steuern und Abgaben bleibe genauso das Markenzeichen der Union wie Konsolidierung des Haushalts: „Es gibt kein Entweder-Oder. Es muss immer ein Sowohl-als-Auch geben.“ Das Steuerkonzept der CSU gehe in die richtige Richtung, lobt sie die kleine Schwester wie eine Lehrerin ihre Schüler. Die Union werde im nächsten Jahr ein gemeinsames Steuerprogramm vorlegen, gurrt Merkel und ruft sogar Hubers Wahlkampfmotto „Mehr Netto vom Brutto“ in die Halle.
Nach Merkels Rede nickt Beckstein CSU-Vize Horst Seehofer, der neben ihm sitzt, anerkennend zu und gibt die Parole aus: „Jetzt müssen wir aufstehen.“ Standing ovations für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Aus den hinteren Reihen erschallen sogar „Zugabe“-Rufe. Selbst beim Blumenstrauß scheinen sich CSU und CDU abgesprochen zu haben. Huber erklimmt die Bühne, überreicht Merkel orange Gerbera und Rosen, Ton in Ton mit ihrem Blazer. „Die CSU wird im nächsten Jahr alles dafür tun, dass die Bundeskanzlerin auch nach 2009 Bundeskanzlerin Angela Merkel heißt“, säuselt Huber. Die Delegierten können sich nicht mehr einbremsen, stimmen vor lauter Begeisterung ein Ständchen an: „Zum Geburtstag, liebe Angela, zum Geburtstag viel Glück!“ Edmund Stoiber blickt verblüfft von seinen Wiener Würstl auf, erhebt sich zögerlich ebenfalls, fasst sich ans Hirn und schüttelt den Kopf. Merkel bedankt mit trockenem Witz: „Sehr gut. Das ist die beste Vorbereitung für den bunten Abend.“
Rund um Merkel machen Huber und Beckstein ganz auf Charmeur: Für die Bundeskanzlerin, die am Tag zuvor ihren 54. Geburtstag gefeiert hat, haben sie sich ein süßes, symbolträchtiges Geschenk ausgedacht: Eine Torte mit der Aufschrift „50+X“. Die Begründung: Merkel sei ja auch 50+X Jahre alt. Und Haderthauer träumt: „54 Prozent wäre doch ein schönes Wahlziel für uns.“
Ihre giftigste Spritze hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bis ganz zum Schluss aufgehoben. Gezielt sticht sie sie jetzt tief ins Fleisch der CSU. Sie dankt „herzlich“ für die Torte und dafür, dass ihr wahres Alter auf der Torte durch das X verschwiegen wurde: „Ein Rest von bürgerlicher Höflichkeit ist noch übriggeblieben.“ Dabei klopft sie Beckstein hinterfotzig auf die Schulter. „Das hat mir gefallen“, sagt Beckstein später zur AZ und grinst. „Ich wollte keine Spitze hören.“
Kühl rauscht Merkel so schnell ab, wie sie gekommen war. Beim Herausgehen tauscht sie mit dem CSU-Tandem nur den nötigsten Small-Talk aus: „Macht´s gut. Erfolgreichen Parteitag noch. Tschüss, byebye.“
Agrarminister Seehofer schwärmt über seine Kanzlerin und deren Schmusekurs mit der CSU: „Das war eine starke, hoch professionelle Rede", sagt er um dann kühl zu analysieren: "Es ist doch eine geschickte menschliche Eigenschaft, die Umarmung so lange auszudehnen, bis die Luft wegbleibt.“
Markus Jox, Angela Böhm