CSU in Nöten: für Europa und auch dagegen
Wieso der Brüsseler Statthalter Markus Ferber stocksauer auf CSU-General Alexander Dobrindt ist. Die Abendzeitung hat ihn in Brüssel besucht.
BRÜSSEL In Europa ist er ganz oben. In der 15. Etage des Parlaments regiert Markus Ferber. Von seinem Büro hat der Chef der acht CSU-Europaabgeordneten einen gigantischen Blick über Brüssel. Nur das Schloss, das sich Bayern als EU-Dependance direkt neben dem Parlament leistet, sieht der 46-Jährige nicht. „Das liegt auf der anderen Seite”, sagt Ferber.
Auf zwei Seiten steht auch die CSU, wenn es um Europa geht. Sie ist dafür und gleichzeitig dagegen. Ausgerechnet jetzt: beim Atomausstieg und der Rettung des Euros mit Griechenland. Während nun ein starkes Europa gefragt ist, bekriegen sich die beiden Lager, dass Europa zu stark ist.
Als bayerischer Ministerpräsident setzt Horst Seehofer da auf ein altbewährtes Rezept: Von Bayern aus gegen Brüssel stänkern hat der CSU noch nie geschadet. Seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt ließ er ein europakritisches Papier verfassen: Die Macht der EU sei „nach jeder Krise größer geworden, die darauf folgende Krise nicht kleiner”.
Schon Edmund Stoiber hatte als Bayern-Regent seine Abneigung gegen Brüssel sorgsam gepflegt. Er war gegen den Euro, der damalige CSU-Chef und Bundesfinanzminister Theo Waigel dafür. Gerade in den Bierzelten lässt sich gut Stimmung machen gegen Europa. Inzwischen aber vollzog Stoiber eine Wandlung vom Saulus zum Paulus. In Brüssel erntet er mit seinem Bürokratieabbau nur Lob. Der deutsche Botschafter bei der EU, Peter Tempel, der der SPD zugerechnet wird, schwärmt: „Stoiber ist zu einem flammenden Europäer geworden.”
Das hört Ferber gerne. Gerade jetzt, wo Seehofer den EU-Streit in der CSU zur Vertrauensfrage macht: „Wer meint, er müsse das kritisieren, kritisiert auch mich.” Einschüchtern lässt sich Ferber, Chef der Schwaben-CSU, davon nicht. „Wir haben in Europa zur Zeit Riesenprobleme zu bewältigen. Wir sollten nicht innerhalb der CSU eine Frage neu diskutieren, die über das Grundsatzprogramm längst beantwortet ist.” Schützenhilfe erhält er von Bayerns SPD-Europaabgeordneten Wolfgang Kreissl-Dörfler: „ Dobrindt ist ein europapolitischer Blindgänger. Der hat keine Ahnung und davon ganz viel.”
Dabei bräuchte Ferber in Brüssel jetzt die volle Unterstützung seiner CSU. „Der Euro ist uns lieb und teuer. Aber bald teurer als uns lieb ist”, sagt er. Vor allem, wenn man Griechenland pleite gehen lassen und aus dem Euro rauswerfen würde. „Dann müssten wir auch die Drachme stützen und noch viel länger zahlen.” Und „in Bremen liegt die Pro-Kopf-Verschuldung viel höher als in Griechenland – und von dem Bundesland verlangen wir kein Sparprogramm”, erklärt Ferber die Lage.