CSU im Europawahlkampf: Mit letzter Leidenschaft

Im Europawahlkampf geht der CSU die Puste aus. Die Ukraine hat ihr alles vermasselt. Statt gegen Brüssel keift sie nun gegen SPD-Mann Martin Schulz.
von  Angela Böhm
Der neue Buhmann der Schwarzen im Europawahlkampf: SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz.
Der neue Buhmann der Schwarzen im Europawahlkampf: SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz. © Hannibal Hanschke/dpa

Im Europawahlkampf geht der CSU die Puste aus. Die Ukraine hat ihr alles vermasselt. Statt gegen Brüssel keift sie nun gegen SPD-Mann Schulz: „Geschäftsführer der Schlepperbanden“.

Nürnberg - Es will keine Stimmung aufkommen beim kleinen Europaparteitag der CSU in Nürnberg. Drei brutale Wahlkämpfe haben die rund 300 Delegierten hinter sich. Bundestagswahl, Landtagswahl, Kommunalwahl. Viele auch noch eine Stichwahl. In zwei Wochen wird schon wieder gewählt. „Die Leute sind alle kaputt“, sagt einer aus der Parteispitze.

Dazu hat die Krise um die Ukraine der CSU ihre Wahlkampfstrategie vermasselt. Das Stänkern gegen Brüssel und die Krümmung der Gurke zieht nicht mehr, wenn große Angst herrscht vor einer Kriegsgefahr.

Seehofer gibt sich da lieber staatsmännisch. Er redet jetzt über die „Friedensfunktion“ der EU, die in der Ukraine zum Tragen kommen soll. Statt Europa wird nun der politische Gegner attackiert.

Das übernimmt der sonst eher zurückhaltende CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber. Zum Buhmann der EU stilisiert er seinen Kontrahenten, den Anführer der europäischen Sozialdemokraten, Martin Schulz. Der will Präsident der EU-Kommission und damit Nachfolger von José Manuel Barroso werden.

Ob diese Polarisierung zündet? Auch der wortgewaltige Genosse ist kein Wählermagnet.

Das zeigte sich am Donnerstag zur besten Primetime um 20.15 Uhr im ZDF. Ein 90- Minuten-TV-Duell hat sich Schulz mit seinem konservativen Kontrahenten Jean-Claude Juncker geliefert. Moderiert vom ZDF-Chefredakteur Peter Frey höchstpersönlich.

Interessiert aber hat es kaum jemanden. Die Quote lag nach AZ-Information bei ganz miesen 5,8 Prozent. „Das sind nicht mal zwei Millionen Zuschauer“, heißt es aus dem Sender. „Vergleichbar mit einem Nischenprogramm.“ Während der „Bergdoktor“, der sonst zu dieser Zeit läuft, über 19 Prozent und 6,65 Millionen Zuschauer lockt.

Da muss Ferber schwere Geschütze gegen Schulz auffahren, um aufzufallen. Er erinnert an dessen Forderungen während der Eurokrise um Griechenland: „Ein potenzieller Kommissionspräsident, der sich für Eurobonds und Schuldentilgungsfonds einsetzt, der versündigt sich an den Menschen in Europa.“

Er erinnert an das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer: „Martin Schulz hat sich damals vor das Europäische Parlament gestellt und hat gesagt, er wünsche sich eine EU, wo jeder, der den Boden Europas erreicht, herzlich willkommen ist. Wenn das unsere Politik ist, dann kann ich nur sagen: Die Schlepperbanden in Afrika haben damit einen Geschäftsführer bekommen.“

Er verweist auf die Türkei, die die CSU fern halten will von Europa: „Einen Menschen, der hier sagt: ,Nein, das geht nicht’, und in der Türkei: ,Ihr seid herzlich willkommen’, wollen wir nicht als Kommissionspräsidenten.“ Der Applaus bleibt mau.

Peter Gauweiler ist diesmal nur Zuschauer. Europaministerin Beate Merk spielt überhaupt keine Rolle. Die Bühne gehört den acht Europa-Abgeordneten der CSU. Sie müssen zittern, ob sie es wieder alle ins EU-Parlament schaffen.

Das Problem: Bei dieser Europawahl kommt für die CSU einfach alles zusammen: die Ukraine. Drei Europa-Abgeordnete weniger, die Deutschland diesmal zustehen. Keine Drei-Prozent-Hürde mehr für die kleinen Parteien. Was vom Kuchen der Etablierten abgeht. In zehn Bundesländern sind gleichzeitig mit der Europawahl am 25. Mai Kommunalwahlen. So im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, das von SPD-Frau Hannelore Kraft regiert wird. Und im Ländle der Grünen, Baden-Württemberg, mit seinem Vorzeige-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Während die Bayern so wahlmüde sind.

„Das ist alles ganz schön Sch...“, nimmt ein CSU-Mann da sogar das vulgäre Wort in den Mund.

„Die letzte Leidenschaft herauskitzeln“, will Seehofer aus seiner Partei. Das klingt fast flehend. Er bedankt sich bei seinen Delegierten: „Dass ihr in dieser großen Zahl hergekommen seid, zeigt wieder: die CSU lebt.“ Deswegen sei er jetzt „beim Schritt in die Zielgerade, zuversichtlicher als zu Beginn des Wahlkampfs“. Er habe da keine „Zweckzuversicht“, versichert er. „Es läuft ausnahmslos gut.“

Intern aber bereitet sich die CSU auf eine katastrophale Wahlbeteiligung vor. „Die wird im Bereich der Stichwahlen liegen“, heißt es. Bei der gingen in München nur noch 38,5 Prozent zur Wahl.

Aus Seehofers Traum, wenigstens bei der Europawahl wieder die 50 Prozent zu schaffen, wird auch nichts werden. Zwar liegt die CSU in Umfragen bei 49 Prozent, führende CSU-Politiker aber rechnen realistisch mit 47 Prozent. Von den acht CSU-Abgeordneten in Brüssel könnten dann nur noch sieben oder sogar bloß sechs übrig bleiben. Das wäre für Seehofer bitter.

 

 

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