CSU empfängt Ungarns Regierungschef

Die CSU empfängt den ungarischen Premier im Kloster Banz – und lässt ihn gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel sticheln
Kloster Banz - Nein, diesen Gastauftritt lässt sich Viktor Orban trotz des kurzfristig anberaumten EU-Gipfels am Mittwochabend nicht nehmen. Um 9.20 Uhr fährt die Kolonne des ungarischen Regierungschefs im abgelegenen oberfränkischen Kloster Banz vor. CSU-Chef Horst Seehofer und seine Entourage warten schon. Ein kurzes Händeschütteln, dann gehen die Politiker gemeinsam den geschwungenen Weg zum Haupteingang hoch, vorbei an vielen Kameras.
„Es ist mir eine Ehre, von einer solchen Partei eingeladen worden zu sein“, säuselt Orban später im prunkvollen Kaisersaal, bedankt sich bei seinen „bayerischen Freunden“. Seehofer dankt dem „lieben Viktor“ ebenfalls mehrfach für dessen Kommen.
Am Mittwoch ist es vorbei mit der üblichen Ruhe hinter den Klostermauern in Bad Staffelstein, wo die CSU-Landtagsfraktion wie in jedem Herbst für vier Tage in Klausur geht. Der umstrittene Gast hat sogar internationale Medien und auch die Opposition angelockt: Draußen vor dem Kloster protestieren Dutzende Politiker und Anhänger von SPD, Grünen und Linkspartei mit Plakaten, Trillerpfeifen und einem Stück Stacheldrahtzaun gegen die Einladung von Orban.
„Was will die CSU von Orban denn lernen? Wie man schutzbedürftige Bürgerkriegsflüchtlinge mit Tränengas, Schlagstöcken und Wasserwerfern fernhält?“, fragt der Chef der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher.
Die CSU hatte sich von dem Proteststurm nicht beeindrucken lassen – auch wenn kein europäischer Politiker derzeit so massiv in der Kritik steht wie Orban: wegen der Abschottung seines Landes gegenüber Flüchtlingen und wegen des Umgangs der dortigen Behörden mit den Menschen.
Viele hässliche Bilder gingen in den vergangenen Wochen aus Ungarn um die Welt: von Polizisten, die mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Steine werfende Jugendliche vorgehen; von desaströsen Zuständen am Budapester Ostbahnhof; von messerscharfem Stacheldraht, mit denen Ungarn nun Bürgerkriegsflüchtlinge fernhält. Quoten für die Verteilung der Asylbewerber innerhalb der EU lehnt Orban klar ab.
Orban spricht von „moralischem Imperialismus“
Bei der CSU aber wird Orban freundschaftlich empfangen – die engen Bande reichen viele Jahre zurück. Ein persönliches Gespräch mit Seehofer, ein Treffen in etwas größerer Runde, ein Gastauftritt vor der Fraktion, dann die Pressekonferenz.
Und von alledem geht am Ende das Signal aus: Die CSU und Ungarn stehen in der derzeitigen Flüchtlingskrise eng zusammen; es mutet fast schon wie eine Koalition gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Man stimme in der Bewertung der Lage „völlig überein“, sagt Seehofer, spricht von „chaotischen Verhältnissen“ und einem „Ausnahmezustand“. Grund dafür aus CSU-Sicht: die Entscheidung Merkels, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge einreisen zu lassen. Sogar im Beisein des internationalen Gastes erneuert Seehofer diese Kritik an der CDU-Chefin.
Orban selbst macht keinen Hehl daraus, warum er unbedingt zur CSU kommen wollte: Es hänge im Wesentlichen von Deutschland ab, wie Europa mit der derzeitigen historischen Herausforderung fertig werde – und auf den deutschen Kurs habe die CSU wesentlichen Einfluss. Zudem sei er selbst ja in diesen Tagen „einer Ihrer Grenzschutzkapitäne“. „Die Südgrenzen Bayerns werden heute von Ungarn beschützt“, sagt er.
Auf der einen Seite demonstriert Orban die Nähe zu Seehofer, auf der anderen Seite seine Distanz zu Merkel: Er versichert zwar, sich nicht in die deutsche Innenpolitik einmischen zu wollen.
Und doch findet Orban überaus deutliche Worte: „Das Wichtigste ist, dass es keinen moralischen Imperialismus geben sollte“, betont er. Ungarn wolle sich nicht ändern – und man möge Ungarn nicht dazu zwingen.
Orban muss aber auch kritische Fragen nach den hässlichen Bildern aus seinem Land beantworten. Da spricht er dann von Straftätern, die Polizisten angegriffen hätten. Andererseits aber habe er schon Mitgefühl gegenüber Flüchtlingen, die betrogen worden seien – von Schleppern, aber auch von Politikern, die das Gefühl erweckt hätten, sie seien willkommen und alle dürften kommen. Merkels Namen nennt er nicht, betont aber: „Ungarn hat niemanden betrogen.“
Kurz darauf steigt Orban draußen in seinen Wagen, winkt noch einmal kurz aus dem Fenster und braust davon. Seehofer muss derweil noch Fragen nach dem Bündnis zwischen ihm und Orban beantworten und welches Signal damit eigentlich an Merkel gesandt werden solle. „Mir steht jetzt der Magen überhaupt nicht danach, dass wir politische Auseinandersetzungen führen“, entgegnet er.