Cottbus: Hier wohnt der Fremdenhass
Cottbus - Am Blechen-Carré hat es schon wieder Ärger mit jungen Flüchtlingen gegeben, eine böse Schlägerei, munkeln Passanten. Die Polizei trifft nach wenigen Minuten auf dem Platz vor dem Cottbuser Einkaufszentrum ein. Mehrere Beamte schwärmen aus, kommen kurz darauf mit einem dunkelhaarigen Mann zurück. Ein Verdächtiger offenbar, den sie mit Nachdruck in den Einsatz-Kleinbus bugsieren. Vor dem Fahrzeug vernehmen Ermittler zwei Männer, der jüngere der beiden gestikuliert aufgeregt.
Wie die Polizei später bestätigt, handelt es sich bei allen drei Beteiligten um Syrer. Feindselig beobachtet eine Rentnerin die Szene, murmelt etwas, das wie "verdammte Rotzlümmel" klingt. Cottbus, die rund 100 000 Einwohner zählende Stadt nahe der Grenze zu Polen, ist in den vergangenen Wochen nicht nur durch mehrere von Flüchtlingen verübte Straftaten bundesweit in die Schlagzeilen geraten, sondern auch durch die Reaktionen darauf. Der Oberbürgermeister der Stadt, Holger Kelch von der CDU, warnte gar vor der Entstehung von "rechtsfreien Räumen".
Das Land Brandenburg erließ schließlich einen Zuzugsstopp für Flüchtlinge, den Kelch schon seit Monaten gefordert hatte. Bis auf weiteres sollen keine Bewohner der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt mehr nach Cottbus verlegt werden.
Zudem kommt es zu fremdenfeindlichen Demonstrationen, an denen auch Rechtsextreme teilnehmen. Auch die Rentnerin, die den Vorfall vor dem Einkaufszentrum beobachtet hat, war dabei: "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich demonstriert. Es kann ja nicht sein, dass wir uns im eigenen Land nicht mehr sicher fühlen können." Wie sie wollen viele Cottbusser offenbar ihre Empörung ausdrücken über das, was sich im Blechen-Carré abspielt.
Sicherheitskräfte zeigen verstärkte Präsenz
In der "Mall" zwischen dem Hauptbahnhof und dem Stadtzentrum tummeln sich, gerade in der kalten Jahreszeit, auch zahlreiche junge Flüchtlinge. Und rund ein Dutzend von ihnen, so die Polizei, macht Probleme. In der zweiten Januarwoche bedrohte ein 14-jähriger Syrer ein Ehepaar mit einem Messer. Wenige Tage später verletzt ein 16-jähriger Syrer einen gleichaltrigen Deutschen. Und wiederum eine knappe Woche später sollen zwei Syrer drei Kunden des Blechen-Carré bedrängt haben.
Polizei, Ordnungsamt und ein privater Sicherheitsdienst haben ihre Präsenz im und um das Einkaufszentrum mittlerweile massiv verstärkt. So können sie auch an diesem Nachmittag – wie eingangs geschildert – schnell eingreifen. Die Polizei fährt schließlich mit dem Verdächtigen davon, die beiden anderen Männer ziehen sich nach ihrem Gespräch mit den Beamten in ein Café zurück.
Der Jüngere der beiden zittert noch vor Aufregung. In fast fehlerfreiem Deutsch erzählt er, dass er vor zwei Jahren vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen sei. Er sei fast 17, besuche in Cottbus die zehnte Klasse, wolle Abitur machen. Als er heute im Einkaufszentrum auf einen entfernten Bekannten getroffen sei, habe dieser ihn zuerst angepöbelt, dann gestoßen und ins Gesicht geschlagen.
Den Täter beschreibt er als einen, der nur Probleme macht, "der stiehlt, ist in Drogensachen drin und hat ein Messer in der Tasche". Sein Kumpel sagt, es gebe einige junge Flüchtlinge, die nicht mit dem Leben in Deutschland klarkommen. "Das sind junge Kerle aus irgendwelchen Dörfern, die glauben, sie könnten sich alles erlauben", sagt er. Er habe große Angst, "dass die Deutschen denken, wir sind alle gleich".
Bürger sorgen sich um das Ansehen der Stadt
Nur wenige Stunden nach dem Vorfall am Blechen-Carré muss die Polizei schon wieder eingreifen. Denn in der Innenstadt verteilen sechs Männer Flugblätter der NPD und Fläschchen mit Reizgas an Passanten. Die Polizisten beenden die nicht genehmigte Aktion. Gegen die Männer wird nun wegen des Verdachts auf Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit ermittelt.
In Cottbus gibt es eine nach Einschätzung des brandenburgischen Landesamtes für Verfassungsschutz "hochgradig gewaltorientierte" rechtsextreme Szene. Dass fremdenfeindliche Ideologie gerade in Cottbus auf so fruchtbaren Boden fällt, führt ein in der Flüchtlingshilfe aktiver Bürger darauf zurück, dass es in der Stadt nach der Wende zu Massenarbeitslosigkeit und massiven sozialen Problemen gekommen sei.
Laut der Stadtverwaltung kamen in den vergangenen Jahren 4300 Flüchtlinge, darunter 2000 Syrer. Der Ausländeranteil liegt heute bei 8,5 Prozent – und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 11,2 Prozent. "Mit Zuzug haben die Cottbuser keine Erfahrung – sie kennen nur den Wegzug", sagt der Flüchtlingsaktivist.
Holger Kelch fordert für Cottbus mehr Unterstützung bei der Schulsozialarbeit, der Immigrantenberatung und bei den Erziehungsberatungsstellen. Gleichzeitig sorgen sich die Bürger um das Ansehen ihrer Stadt. Unabhängig voneinander rufen zwei Gruppen dazu auf, im Februar gegen Fremdenhass und für ein weltoffenes Cottbus zu demonstrieren.
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