Claudia Roth: "Übelster Chauvinismus der CSU"

Im AZ-Interview wettert Grünen-Chefin Claudia Roth gegen Putin und die „CSU-Finanzgenies”. Sie verteidigt den Pro-Europa-Kurs ihrer Partei und hat trotzdem ein Lob für Peter Gauweiler
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Grünen-Chefin Claudia Roth beim Interview in der AZ-Redaktion.
Daniel von Loeper Grünen-Chefin Claudia Roth beim Interview in der AZ-Redaktion.

 

Seit 2004 ist die gebürtige Ulmerin Vorsitzende der Grünen. Niemand hatte das Amt länger inne als die 57-Jährige Claudia Roth.

AZ: Frau Roth, in Moskau ist das Pussy-Riot-Urteil gefallen, was denken Sie?

Claudia Roth: Hier geht es um ein inakzeptables Verfahren, um einen Schauprozess. Es geht um Meinungsfreiheit, um Freiheit der Kunst und um eine unheilige Allianz zwischen Kirche und Staat. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nichts mehr zu tun.

 

Könnte Deutschland Einfluss nehmen?

Russland ist immer noch Mitglied im Europarat. Diese Mitgliedschaft könnte man infrage stellen.

Wäre Deutschland kritischer, wenn es nicht vom russischen Gas oder Öl abhängig wäre?

Es darf nicht sein, dass Menschenrechte immer nur dann ein Thema sind, wenn es sich um kleine Staaten handelt. Und dass es immer dann, wenn es um Russland und China geht, aufhört. Bei Russland ist es höchste Zeit zu überlegen, wie man damit umgeht. Und gleichzeitig zeigt der Fall, wie wichtig es ist, von der Abhängigkeit von Öl und Gas wegzukommen.

Stichwort Europäische Krise. Die Grünen wirken da sehr defensiv.

Der Eindruck täuscht. In der Frage Eurorettung, Rettungsschirm, Fiskalpakt haben sich die anderen Parteien weggeduckt. Wir haben uns öffentlich mit dem Thema auseinander gesetzt. Wir wären wahrnehmbarer, wenn wir in Frontalopposition zur Bundesregierung wären...

... das ist nicht der Fall, Sie haben alles abgenickt...

Das stimmt nicht. Wir stimmen Punkten zu, bei der die Bundesregierung viel zu spät auf die richtige Linie einschwenkt. Wir haben die Finanztransaktionssteuer jahrelang gefordert. Und wenn Schäuble und Merkel das endlich auch tun, dann werden wir nicht plötzlich dagegen sein.

Erschreckt Sie das Niveau der Diskussion, von faulen Griechen, von herrschsüchtigen Deutschen ist die Rede?

Es ist richtig schlimm, wie das populistische und neo-chauvinistische Gift wirkt. Wenn CSU-Generalsekretär Dobrindt von „Hütchenspielern"  redet oder Bayerns Finanzminister Söder meint: ,Schmeißt sie doch raus’, dann ist das unanständig und unverantwortlich! Das muss man sich mal vorstellen: Da verzocken sie zehn Milliarden bei der BayernLB, diese CSU-Finanzgenies, und dann kommen solche Sprüche. Ich hoffe, dass das in Bayern nicht ankommt.

Es sieht aber so aus, als komme es an. Die Demoskopen geben der CSU recht. Machtwechsel steht nicht in den Umfragen.

Trotzdem ist das unverantwortlich und verkommene Politik. Da lobe ich mir übrigens Peter Gauweiler.

Ach ja?

Ja, wir sind beim Thema Euro völlig anderer Meinung, aber er argumentiert wenigstens aus der Sache heraus, damit kann man sich auseinandersetzen. Aber was die CSU als Partei macht, das ist übelster Chauvinismus. Bei dieser Stimmungsmache ist es unheimlich schwer, mit Argumenten durchzudringen.

Sind Sie deshalb für eine Volksabstimmung über den Euro?

Herrn Seehofer geht es mit seinem Vorschlag doch nur um Stimmungsmache gegen Europa. Bisher war er immer gegen mehr direkte Demokratie. Wir brauchen aber mehr Europa. Wenn es dann in der Folge zu Grundgesetzänderungen kommen müsste, dann müsste eine Volksabstimmung gemacht werden.

Sind die großen grünen Themen abgeräumt?

Überhaupt nicht! Nehmen Sie den Klimawandel. Das ist unsere historische Aufgabe. Aber versuchen Sie mal, mit dem Thema groß durchzudringen. Oder auch das Thema Armut. Auf der Welt gibt es eine Milliarde Menschen, die so arm sind, dass ihr Überleben nicht gesichert ist. Vor zehn Jahren war es noch die Hälfte. Lesen Ihre Leser das noch? Diese Themen sind eine ungeheure Herausforderung an die Grünen.

Sind die Grünen alt geworden?

Wieso? Wir haben den jüngsten Abgeordneten, die jüngste Abgeordnete, und unser Altstar Christian Ströbele, der ist über 70, der ist jünger als mancher junge Mensch.

Aber an der Spitze sind immer dieselben Gesichter?

Aber wenn man gute Politik macht, dann darf man doch auch bekannt sein. Das ist doch völlig legitim. Deshalb trete ich auch wieder als Grünen-Chefin an. Mir nützt das schon, wenn ich in der schwärzesten Oberpfalz auftrete und die sagen: ,Ah, das ist die Grüne, was ist die denn noch?’ Wären wir nur noch ein Laden von abgehalfterten Oldies, dann wären wir nicht mehr grün, sondern grau. Und das hat mir nun wirklich noch niemand nachgesagt...

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