Christian Wulffs tiefer Fall

Vor genau einem Jahr ist Christian Wulff als Bundespräsident zurückgetreten. Seither ging es immer noch weiter bergab für ihn
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Vor genau einem Jahr ist Christian Wulff als Bundespräsident zurückgetreten. Seither ging es immer noch weiter bergab für ihn 

BERLIN Drei Minuten dauerte seine letzte Rede als Staatsoberhaupt: Am morgigen Sonntag vor exakt einem Jahr trat Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurück. Wenn er damals dachte, dass er damit den Tiefpunkt erreicht hat, irrte er – der Fall ging und geht noch weiter. Eine Bilanz nach einem Jahr.

Am Tag nach seinem Rücktritt – ein Freitag – begannen dann offiziell die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn, wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung in drei Fällen. Monatelang haben sich die Fahnder durch seine Unterlagen gewühlt. Die Vorwürfe konzentrieren sich jetzt auf drei Hotelübernachtungen in Sylt und München, die der Filmproduzent David Groenewold bezahlt haben soll. „Die Ermittlungsarbeiten nähern sich dem Ende“, sagte der Hannoveraner Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Jendeckel gestern. „In absehbarer Zeit“ werde eine Entscheidung fallen. Wulff drohen im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Haft, wahrscheinlicher sind eine Geld- oder eine Bewährungsstrafe.

Die juristische Front ist nicht die einzige für den zurückgetretenen Bundespräsidenten. In den ersten Wochen danach bekommt der CDU-Politiker zu spüren, wie sehr sein Ansehen gelitten hat: der Zapfenstreich, der von Vuvuzelas übertönt wird. Zu dem ohnehin kaum ein bekannter Politiker gekommen ist. Die Debatte um seinen Ehrensold. Die Elogen für seinen Nachfolger Joachim Gauck, den plötzlich alle schon immer für den bessere Präsidenten gehalten haben. Das abgelegene, verstaubte Zimmer in einem Seitentrakt, das ihm zugewiesen wird, als er schließlich erfolgreich durchsetzt, weiter ein Büro zu haben. Er hat für alle erkennbar abgenommen, als er im Sommer erstmals wieder in die Öffentlichkeit tritt.

Am 7. Januar 2013 die Trennung des Ehepaares Wulff

Und vor allem seine Frau Bettina. Noch im Juni, vier Monate nach dem Rücktritt, verkündet er bei seinem Geburtstagsfest den leicht verlegenen Gästen, wie „abgöttisch“ er seine Frau verehre. Im Spätsommer legt sie dann ihr – einigermaßen peinliches – Buch vor. Darin werden die ersten Eheprobleme thematisiert, sie klagt darüber, dass sie Hautirritationen hatte, weil er sich zu wenig mit ihr beschäftigt habe. Er sagt nichts dazu. Das Buch wird nicht der große Erfolg, Talkshow-Auftritte sagt sie – überrascht über die viele Kritik im Internet – ab. Nochmal ein knappes halbes Jahr später ist die Ehe dann am Ende. Am 7. Januar 2013 geben die Wulffs ihre Trennung bekannt. Es gibt Gerüchte, dass sie mittlerweile an der Seite eines aktuell erfolgreicheren Mannes gesehen wird.

Christian Wulff zieht in eine kleine Mietwohnung in Hannover. Er hat noch seinen Ehrensold von aktuell 217000 Euro im Jahr, aber einiges davon geht an Unterhalt für die erste Frau und die gemeinsame Tochter und jetzt auch für die zweite Frau und den gemeinsamen Sohn weg, ebenso für den allseits bekannten 500000-Euro-Kredit für das Haus in Großburgwedel, der das ganze erst ins Rollen gebracht hat. Ihm als gescheiterten Single fliegen jetzt aber wieder mehr Sympathien zu als damals dem arroganten Bundespräsidenten, der nicht verstehen wollte, warum er sich nicht von Möchtegernspezln aushalten lassen darf.

Bleibt die Frage nach seiner beruflichen Zukunft – er ist schließlich erst 53. Momentan liegt sie auf Eis: Solange die strafrechtliche Schiene nicht entschieden ist, reißt man sich nicht gerade um ihn. Drei Vorträge – in Heidelberg, Italien und Südkorea – verhallten ohne großes Echo. Noch am aussichtsreichsten ist das Thema Integration, das ihm immer am Herzen lag. „Er wird seine Betätigung schon finden“, so Bundeskanzlerin Angela Merkel dieser Tage. „Da mache ich mir keine Sorgen.“

 

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