Christian Wulff - Und noch ein Überforderter?

Christian Wulff, der nach dem ruhmlosen Abgang von Horst Köhler das Amt des Staatsoberhaupts rehabilitieren sollte, stolpert und haspelt durch seine ersten 100 Tage.
Er schweigt ja nicht. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er keine Worte fände. Christian Wulff redet. Er lobt den Beruf des Ingenieurs, beispielsweise, in Essen. Fragt sich nur, ob es die Aufgabe eines Staatsoberhaupts ist, dabei das Buch eines Konzernchefs vorzustellen. Ein Gschmäckle bleibt, auch hier wieder. Was er auch tut, Christian Wulff, der neue Bundespräsident hat ein Problem, man kann auch sagen: Der Mann, der vor nicht mal 100 Tagen im Schloss Bellevue einzog, ist ein Problem.
„Der wird bestimmt kein Schlechter.“ Das sagten auch Wahlmänner, die ihn nicht gewählt hatten im Drama am 30. Juni. Auch solche, die lieber Joachim Gauck gehabt hätten, nachdem Horst Köhler das höchste Amt im Staat hingeschmissen hatte. „Mangel an Respekt vor dem Amt“, hatte Köhler beklagt und war gegangen. Und jetzt: „Das lässt jeden Respekt für das Amt vermissen“, sagt Wulffs Sprecher. Renate Künast hatte von Wulff verlangt, er solle sich endlich zum Thema Integration äußern.
Die Worte ähneln sich, gleichen sich auch die Personen? Hat Deutschland wieder einen Präsidenten, der dem Amt nicht gewachsen ist?
Der neue Bundespräsident hat nicht alles falsch gemacht. Aber in entscheidenden Momenten, hat er das Falsche gesagt, das Falsche veranlasst oder ist einfach nur falsch verreist. Bösartig könnte man sagen: Nicht mal richtig Urlaub machen kann der Mann.
Dabei schlug ihm viel Sympathie entgegen. Endlich schien da ein moderner Mann ins höchste Amt gekommen, geschieden. Mit seiner neuen Frau Bettina (36) hat er einen kleinen Sohn, sie bringt noch einen sechsjährigen Sohn aus erster Ehe mit. Die First Patchwork-Family. Deutschland schien einen Schritt weiter.
Dann fuhr der neue Mann in die Ferien auf Mallorca. Justament ins Feriendomizil seines schwerreichen Freundes und Vroni-Ferres-Gatten Carsten Maschmeyer. „Noch zu seiner Zeit als Ministerpräsident gebucht“, sagten seine Verteidiger und: „Alles selbst bezahlt“. Instinktlos, moserten erste Kritiker. Ungeschickt.
Dass er die Höhen über der Tagespolitik noch nicht erklommen hat, bewies der Präsident mit dem Schwiegersohn-Charme nach der Love-Parade-Katastrophe. Hat ein Staatsoberhaupt einen Bürgermeister zum Rücktritt aufzufordern? Wulff tat es und tat sich damit keinen Gefallen. Das Wort Fehlstart fiel.
Er hütete seine Zunge fortan. Auch und ausgerechnet dann, als ein Wort der Klarheit das offene Ohr der Republik gefunden hätte. Als Thilo Sarrazin mit seinen Thesen das Land aufwühlte, da hätte das Staatsoberhaupt reden sollen. Die Situation war wie geschaffen für einen, der im Frühjahr die erste türkisch-stämmige Ministerin in Deutschland ernannte.
Statt einen geistvollen Fixpunkt zu setzten, verplapperte sich der Meister des unverbindlichen Worts. „Die Bundesbank kann einiges tun, um das Problem Sarrazin zu lösen“ sagte er. Eine Aufforderung zum Rausschmiss, ein gefundenes Fressen für Sarrazins Anwälte.
Fortan betrieb Wulff Personalpolitik. Die höchsten Beamten und Juristen des Präsidialamtes dealten einen früheren und teureren Abschied Sarrazins aus.
Respekt für das Amt – hat ihn der Amtsinhaber? Die Frage stellt sich. Und die Frage nach illegaler Wahlkampfhilfe für Wulffs CDU stellt sich auch. Gestern nahm die Staatsanwaltschaft Akten mit aus der Parteizentrale. Wulff siegte damals bei der Wahl.
Wulff schweigt dazu. Am 3 Oktober will er was sagen. zu 20 Jahre Einheit, zu Integration. Eine große Rede soll es werden, keinen Tag zu früh.
Matthias Maus