Christian Schmidt: "Glyphosat-Entscheidung war richtig"

Christian Schmidt hat nach seinem "Ja" für das Pflanzenschutzmittel Morddrohungen erhalten – trotzdem ist er mit sich im Reinen.
von  Interview: Gerald Schneider
Der umstrittene Landwirtschafts- und Verkehrsminister Christian Schmidt will in der Bundesregierung bleiben.
Der umstrittene Landwirtschafts- und Verkehrsminister Christian Schmidt will in der Bundesregierung bleiben. © Wolfgang Kumm/dpa

München - Christian Schmidt im AZ-Interview: Der Oberfranke (60) ist seit 2014 Bundeslandwirtschaftsminister.

AZ: Herr Schmidt, die CSU hat einige raue Monate hinter sich. Was erwarten Sie angesichts dessen vom Parteitag am Freitag und Samstag?
CHRISTIAN SCHMIDT: Ich erwarte mir einen Parteitag des Aufbruchs und der Positionsbestimmung. Mit der gefundenen Ämteraufteilung mit Markus Söder als Ministerpräsident und Horst Seehofer als Parteichef paart sich Erfahrung mit Engagement. Wir brauchen Horst Seehofer mit seiner Erfahrung jetzt bei den Gesprächen zur Regierungsbildung in Berlin. Markus Söder ist der richtige Mann, um die Landtagswahlen in Bayern zu gewinnen.

Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder haben sich geeinigt. Wie lange wird die neue Harmonie anhalten?
Das müssen die beiden selbst entscheiden. Seehofer ist völlig unabhängig, das ist eine hervorragende Situation, weil so etwas der Sache dient. Ich bin zuversichtlich, dass diese Ämteraufteilung die Partei zusammenführen wird.

Derzeit sind Sie stellvertretender Parteivorsitzender. Um welchen Posten werden Sie sich bewerben?
Ich bin stellvertretender Parteivorsitzender und will auch weiterhin Verantwortung in der Partei übernehmen. Der bundespolitische Aspekt muss auch zukünftig eine starke Rolle im Parteivorstand spielen. Und: In einer christlichen Partei braucht es auch eine evangelische Stimme.

Um die fünf Stellvertreterposten bewerben sich sechs Kandidaten. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Das ist in einer demokratischen Partei nichts Ungewöhnliches. Wir werden sehen, wie sich das sortiert. Da bin ich optimistisch. Ich jedenfalls habe vor, zu kandidieren.

Nach Kampf hört sich das nicht an, Herr Schmidt.
Noch wissen wir ja gar nicht, wer am Ende wirklich antritt.

In Berlin gehen die Gespräche zu einer Regierungsbildung mit den Sozialdemokraten weiter. Rechnen Sie mit einem Erfolg oder sehen Sie eher eine Minderheitsregierung?
Eine Minderheitsregierung ist keine stabile politische Lösung. Dabei verliert man sich im Klein Klein, weil jeder Sachverhalt einzeln politisch mehrheitsfähig gemacht werden muss. Die Gespräche werden sicherlich nicht einfach, das waren sie bei den Jamaika-Sondierungen auch nicht, aber selbst da sind wir zu tragfähigen Lösungen gekommen.

Für die CSU wird Parteichef Horst Seehofer verhandeln. Was muss für die CSU auf jeden Fall herauskommen?
Erstens liegt der Ball jetzt im Feld der SPD. Ich erwarte, dass jetzt auch die SPD zu der Überzeugung gelangt, dass wir eine stabile Mehrheitsregierung brauchen. Für uns steht die inhaltliche Agenda. Wir haben klare Positionen bei den Themen Zuwanderung und Flüchtlinge, aber auch bei der Daseinsvorsorge, ländlichen Räumen und sozialen Sicherungssystemen.

"Dass die Industrie Fahrverbote fodert, verwundert sehr"

Warum haben Sie bei der Entscheidung zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat die Geschäftsordnung der Regierung gebrochen?
Die Entscheidung in Brüssel war absolut richtig und zwar aus sachlichen Gründen. Mit meiner Zustimmung konnte ich Anwendungsbeschränkungen und Auflagen für Glyphosat durchsetzen. Gekommen wäre die Verlängerung der Zulassung durch die EU-Kommission sowieso, aber jetzt gibt es klare Regeln: Mehr Transparenz und Übersicht bei der Zulassung, die Grundlage für ein Verbot der Privatanwendung und Rechtssicherheit für die Bauern.

Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD hat einen neuen Anlauf genommen zu nationalen Beschränkungen zum Einsatz des Pflanzenschutzmittels. Wie werden Sie sich da miteinander einigen?
Den Weg dafür habe ich ja eben geebnet. Den Gebrauch für Privatpersonen wird es nicht mehr geben. Bei Pflanzenschutzmitteln gilt bei mir das Motto: so wenig wie möglich, so viel wie unbedingt nötig. Im Übrigen ist während meiner Amtszeit der Glyphosateinsatz in Deutschland um rund ein Drittel zurückgegangen. Zu den Detailfragen zur nationalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit Glyphosat bin ich im konstruktiven Gespräch mit meiner Kollegin aus dem Umweltministerium.

"Das ist die kalte Enteignung von Diesel-Besitzern"

Gilt das auch bei Beschränkungen von Neonikotinoiden, die im Verdacht stehen, Insekten extrem zu schaden?
Wir werden die Nutzung nicht mehr erlauben, wenn sich wissenschaftlich fundiert herausstellen sollte, dass diese Stoffe Bienen gefährden. Wichtig ist für mich aber: Die Entscheidung muss – wie bei Glyphosat – auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen.

Sie waren wegen Ihrer Glyphosat-Entscheidung heftiger Kritik ausgesetzt, auch Drohungen. Wie gehe Sie damit um?
Glücklicher macht einen das nicht, vor allem wenn die Familie mit betroffen ist und wenn es kräftig unter die Gürtellinie geht. Ich bin erschrocken, wie sehr die Diskussion hier stellenweise vollkommen entgleist ist. Ich habe mit meiner vielleicht unpopulären Entscheidung mehr erreicht als ohne diese. Ich habe sachlich richtig entschieden. Deswegen bin ich mit mir im Reinen.

Wie sehr hat Sie die Aussage von VW-Chef Matthias Müller überrascht, der eine höhere Besteuerung von Diesel und die blaue Umweltplakette ins Gespräch gebracht hat?
Dass die Automobilindustrie Fahrverbote fordert, verwundert sehr. Die Blaue Plakette ändert nichts am Emissionsverhalten eines Wagens. Sie bedeutet nichts anderes als die kalte Enteignung von Millionen von Diesel-Besitzern. Was wir brauchen, ist mehr Mobilität bei weniger Emissionen. Da steht auch die Industrie sehr deutlich in der Verantwortung. Dazu gehört, die Förderung der Elektromobilität weiter auszubauen. Klar ist aber auch: Der Diesel stößt deutlich weniger CO² als Benziner aus. Deshalb brauchen wir ihn als Übergangstechnologie. Ich sehe daher keinen Anlass, an der Besteuerung etwas zu ändern.

Im Moment führen Sie die Ministerien Landwirtschaft und Verkehr. Wo sehen Sie sich in einer neuen Bundesregierung?
Mir macht die Arbeit in der Bundesregierung Spaß. Und die möchte ich fortsetzen. Dafür brauchen wir jetzt aber erstmal zügig eine neue Regierung. Es gibt viele Aufgaben und ich habe viele Ideen. Im Augenblick habe ich eine große Chance für die Förderung des ländlichen Raums. Das betrifft beide Häuser. Da geht es um den Ausbau der Digitalisierung, aber auch um die Verkehrserschließung in ländlichen Regionen. Für mich ist wichtig, dass es in Zukunft ein Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ländliche Räume geben wird.

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