Christian Lindner wirft GroKo Versagen vor: Keine Haltung beim Familiennachzug
Der 39-jährige Wuppertaler ist seit Dezember 2013 FDP-Bundesvorsitzender. Mit der AZ hat Christian Lindner über Jamaika, die Landtagswahl in Bayern und Markus Söder gesprochen.
AZ: Herr Lindner, am Politischen Aschermittwoch treten Sie wieder in Dingolfing auf. Wen werden Sie sich rhetorisch am stärksten zur Brust nehmen?
CHRISTIAN LINDNER: Auch am Politischen Aschermittwoch steht für uns die Abarbeitung an der Sache und nicht am politischen Gegner im Vordergrund. Da, wo man über die CSU sprechen muss, die während der Jamaika-Verhandlungen jede Reform des Bildungsföderalismus blockiert hat, wo man über die Grünen sprechen muss, die immer noch mehr Umverteilung propagieren, über die AfD, die völkisches Denken vertritt und unser Land abschotten will – dort, wo man über die Probleme bei den politischen Mitbewerbern sprechen muss, da tut man das.
War es ein strategischer Fehler, Jamaika platzen zu lassen?
Wie kommen Sie darauf? Was könnte da der Fehler gewesen sein?
In Bayern steht die FDP nach dem Jamaika-Aus auf der Kippe, ob sie den Einzug in den Landtag schafft. Da lagen Sie schon besser.
Die Fakten sind andere. Die FDP ist in den Umfragen nicht abgesackt. Zuletzt haben uns die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die ARD bei zehn Prozent gemessen, bei Forsa sind wir auf neun gestiegen. Die Wahrheit ist: Die FDP steht stabil an der Zweistelligkeit, obwohl alle Mitbewerber und deren Unterstützer sich an uns abarbeiten. Zu den eigenen Grundsätzen zu stehen und weiter die Partei zu sein, die das Land erneuern will, das war eine Investition, die uns stärker macht. Wir haben diese Entscheidung nicht aus taktischen Motiven getroffen, sondern aus Überzeugung. Diese Überzeugungsstärke hilft uns eher. Das, was beispielsweise die Große Koalition beschlossen hat beim Familiennachzug, drückt keine Haltung aus.
Inwiefern?
1.000 im Monat, das ist eine willkürlich gegriffene Zahl. Entweder man öffnet den Familiennachzug für Härtefälle und gut integrierte Menschen, wie wir das wollen. Oder man ist komplett dagegen, wie die AfD. Das ist herzlos. Oder man ist dafür, dass jeder die Familie nachholen kann, wie die Grünen – ob integriert oder nicht, Arbeit oder nicht, Aufenthaltsperspektive oder nicht. Das ist naiv, aber es ist eine Haltung. Aber das, was die GroKo gemacht hat, ist keine Haltung.
Was erwarten Sie sich von der Landtagswahl in Bayern?
Die FDP wird gestärkt in den Bayerischen Landtag zurückkehren als eine Kraft der politischen Mitte. Wir sind gegen eine absolute Mehrheit irgendeiner Partei, somit auch der CSU. Nach der Wahl wollen wir schauen, was sich ergibt. Eins ist jedenfalls klar: So wie wir bereit sind zur Übernahme von Verantwortung – das zeigen wir ja in drei Ländern –, scheuen wir uns auch nicht vor der Oppositionsrolle, wenn eine Erneuerung des Landes von der aus Regierung nicht möglich ist.
Der künftige Ministerpräsident Markus Söder hat sich schon skeptisch zu einer möglichen Koalition mit Ihnen geäußert.
Wenn Herr Söder lieber mit Grünen und Freien Wählern regieren will, nachdem er die absolute Mehrheit verfehlt hat, ist das seine Sache. Das können die Wähler dann beurteilen, insbesondere im ländlichen Raum. Wenn die CSU sich den Grünen näher fühlt als der FDP, sagt das mehr über die CSU und Herrn Söder als über uns.
Lesen Sie auch: Jamaika-Abbruch - "Schwere Niederlage für Merkel"