Chaos, Streit, Untergang: CSU

Glos weint, die Parteiführung tobt, Misstrauen grassiert: Seehofers Personalprogramm zerlegt die Partei. Nur Landesgruppenchef Ramsauer serviert zufrieden Schnaps.
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MÜNCHEN/BERLIN - Glos weint, die Parteiführung tobt, Misstrauen grassiert: Seehofers Personalprogramm zerlegt die Partei. Nur Landesgruppenchef Ramsauer serviert zufrieden Schnaps.

Ausnahmezustand in der CSU: In Berlin rechnet der zurückgetretene Bundeswirtschaftsminister Michael Glos unter Tränen mit der Kanzlerin ab: „Sie hat mich bewusst missachtet.“ In München beginnt die Demontage des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer: „Sein Umgang mit Menschen ist eine Katastrophe.“ Auf sein Generalsekretärs-Doppel ist das „friendly fire“ eröffnet: „Zwei Nullen bleiben auch addiert eine Null.“ Und Landesgruppenchef Peter Ramsauer, der die beiden durchgesetzt hat, steht unter schweren Beschuss: „Der ist ein eitler Tropf und eine leere Hose“ – Szenen eines Politkriegs.

Die Stimmung ist wie bei einem Leichenschmaus, als Glos am Montagabend bei der Sitzung der Berliner Landesgruppe spricht. Ganz sachlich will er eigentlich bleiben. Doch es kommen ihm die Tränen. Am Beispiel der Pleite-Bank lässt er seinen ganzen Frust über Bundeskanzlerin Angela Merkel ab: dass sie ihn „ignoriert und unterschätzt“ hat. „Sie hat immer geglaubt, ich hätte von vielen Dingen keine Ahnung. Stattdessen hängt sie an den Lippen von Finanzminister Steinbrück, der sich jeden Satz von seinen Leuten aufschreiben lassen muss“, giftet Glos. Doch nur dem SPD-Mann habe sie „Sachverstand zugeschrieben“, ihren eigenen Wirtschaftsminister dagegen „immer mehr missachtet“.

Landesgruppenchef und CSU-Vize Peter Ramsauer gibt den starken Mann. Wortreich erklärt er seinen Abgeordneten, warum er nicht Wirtschaftsminister werden wollte. „Ham’s dich überhaupt g’fragt“, ruft einer despektierlich von hinten vor.

Beim Sechs-Augen-Treffen am Sonntagabend in der Münchner Staatskanzlei mit Seehofer und Glos hatte Ramsauer die Muskeln spielen lassen. In letzter Minute verhinderte er den Europa-Abgeordneten und niederbayerischen CSU-Chef Manfred Weber, um seinen Spezl Alexander Dobrindt als Generalsekretär durchzusetzen. Und Dorothee Bär aus seiner Landesgruppe als Unterstützung noch dazu.

Die beiden sorgen in CSU für den größten Unmut. „Zwei Flaschen“, sagt ein führender CSUler zur AZ. Ein mächtiger Bezirksvorsitzender klagt: „Jetzt geht’s ganz bergab. Und zwar mit Karacho.“ Ein CSU-Oberer bringt es auf den Punkt: „Die Moral der Truppe ist hin, wenn man den Generälen nicht vertraut. Dabei müssten doch gerade jetzt im Wahlkampf die Truppen stehen.“

In der bayerischen Staatskanzlei tagt gestern das Kabinett. Für Diskussionen über die Lage der CSU bleibt keine Zeit. Am Rande tuscheln die Minister: „Das ist doch eine Katastrophe.“ Und: „Das hat Seehofer jetzt von seiner Art, mit den Leuten umzugehen.“

Auch in der Münchner Landtagsfraktion geht es wieder los: „Er ist nicht offen und ehrlich“, wettern sie dort. Er verbreite eine „Aura des Misstrauens“. Und: „Der ist ja noch viel schlimmer als Stoiber und Strauß“, sagt einer aus der Fraktionsspitze.

Nur die Alten, die nichts mehr zu verlieren haben, sagen es schon offen. Wie Eberhard Sinner, der ehemalige Chef der Staatskanzlei: „Horst Seehofer hat die Angewohnheit, seine Leute klein zu machen. Er ist nicht optimal in Menschenführung.“

Nur Peter Ramsauer ist begeistert. Er feierte gestern seinen 55. Geburtstag, schenkte an die Journalisten Schnaps aus und versicherte: „Wenn die Uhr zurückgedreht werden würde auf Samstag 16 Uhr, würden wir das in allen Punkten wieder genauso machen.“

Angela Böhm

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