CDU-Wahldebakel in NRW sorgt für dicke Luft bei Schwarz-Gelb
Berlin - "Wir sollten etwas nicht schönreden, was nicht schön ist. Das ist die bittere Wahrheit, das war ein Desaster gestern", sagte Seehofer am Montagabend im ZDF-"heute-journal". Eindringlich forderte er Konsequenzen für die Arbeit der Koalition in Berlin.
"Meine Antwort ist schlicht darauf, dass wir jetzt nicht so tun, als wäre gestern nichts passiert, sondern wir müssen daraus Konsequenzen ziehen", sagte Seehofer. "Ich bin nicht mehr bereit, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Wir müssen besser werden, auch in Berlin." Erneut forderte er ein Treffen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP, um die dringendsten Probleme wie Energiewende, Vorratsdatenspeicherung und Betreuungsgeld zu lösen.
Dagegen wächst in der FDP der Unmut über den CSU-Chef und seine Ankündigung, mögliche Treffen des Koalitionsausschusses bis auf weiteres zu boykottieren. In der "Bild"-Zeitung (Dienstag) forderten führende Liberale Seehofer auf, seine Blockadehaltung zu beenden. Am Wochenende hatte Seehofer erklärt, solange es keine Einigung beim Betreuungsgeld gebe, werde er nicht mehr an Treffen des Koalitionsausschusses teilnehmen.
Das FDP-Bundesvorstandsmitglied Lasse Becker sagte der Zeitung: "Horst Seehofer verhält sich wie im Kindergarten. Er spielt mit dem Erfolg der Koalition und sollte daher schnell aus der Schmollecke kommen." Auch Vorstandskollegin Katja Suding kritisierte Seehofer scharf und forderte den CSU-Chef zum Einlenken auf.
"Herr Seehofer wäre gut beraten, die Mätzchen zu lassen. Sich der Arbeit zu verweigern, ist verantwortungslos", sagte Suding der "Bild"-Zeitung. Seehofer sollte mit den Spitzen der anderen Koalitionsparteien CDU und FDP nach "einem vernünftigen Kompromiss" suchen.
Seehofer hielt dem in Nordrhein-Westfalen unterlegenen CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen erneut schwerste Fehler und Versäumnisse vor. "Der Röttgen hat gegen die Frau (SPD-Ministerpräsidentin Hannelore) Kraft mit einem Verhältnis 37 zu 34 Prozent begonnen", sagte der CSU-Chef mit Blick auf die Ausgangsposition. "Und innerhalb von sechs Wochen ist das weggeschmolzen wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht."
Als größten Fehler bezeichnete Seehofer die fehlende Bereitschaft Röttgens, sich auch im Falle einer Wahlniederlage auf Nordrhein-Westfalen festzulegen. Er habe Röttgen gewarnt, dass es nicht dessen private Entscheidung sei, ob er nach NRW gehe oder nicht, das träfe die ganze Union, sagte Seehofer. "Ich habe mit ihm gesprochen, persönlich und über die 'Bild'-Zeitung und persönlich hat er mich dann abtropfen lassen."
Der FDP-Fraktionschef von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, legte Röttgen den Rücktritt als Bundesumweltminister nahe. "Ich würde mir überlegen, ob ich meine Funktion noch ordentlich ausüben könnte", sagte er der in der Mediengruppe Madsack erscheinenden "Leipziger Volkszeitung".
Er glaube, dass bei Röttgen "über die Sommerpause hinweg auch diese Erkenntnis kommen wird, dass er nicht mehr die Kraft hat auf Bundesebene, die er eigentlich bräuchte, um die Energiewende wirklich durchzusetzen". Er gehe davon aus, dass Röttgen "eine mentale Pause braucht von ein, zwei, drei, vier Jahren, bevor er im politischen Betrieb wieder reüssieren kann", sagte Kubicki.