CDU-Politiker rebellieren gegen Schlafwagen-Wahlkampf

Nach dem Wahldesaster im Saarland und in Thüringen bricht in der Union jetzt der Streit um die richtige Strategie voll durch. Kanzlerin Merkel aber findet: "Wir liegen vollkommen richtig."
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Ratlos und geknickt: Peter Müller, Ronald Pofalla, Angela Merkel und Stanislaw Tillich (v.li.)
AP 2 Ratlos und geknickt: Peter Müller, Ronald Pofalla, Angela Merkel und Stanislaw Tillich (v.li.)
Guido Westerwelle sonnt sich im Erfolg. Doch allmählich wird auch er nervös.
dpa 2 Guido Westerwelle sonnt sich im Erfolg. Doch allmählich wird auch er nervös.

Nach dem Wahldesaster im Saarland und in Thüringen bricht in der Union jetzt der Streit um die richtige Strategie voll durch. Bundeskanzlerin Angela Merkel aber findet: "Wir liegen vollkommen richtig."

BERLIN Irgendwie versteinert wirkt das Lächeln von Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie zur CDU-Präsidiumssitzung im Konrad-Adenauer-Haus erscheint. Hinter ihr schleichen mit verkniffener Miene die Ministerpräsidenten von Thüringen und dem Saarland, Dieter Althaus und Peter Müller. Selbst Sachsens Stanislaw Tillich, der als einziger Grund zur Freude hätte, verkneift sich eine allzu Freude Miene. Die massiven Verluste vom Sonntagabend stecken der CDU noch merklich in den Knochen. Am Wahlabend selbst hatte sich Merkel gar nicht blicken lassen, ihren Generalsekretär Ronald Pofalla vorgeschickt.

Heute bemüht sich Merkel um business as usual. Sie trägt ein violettes Sakko – angeblich soll diese Farbe die Entschlusskraft fördern. Genau das wünschen sich viele Parteifreunde. Vor allem von der CSU und aus dem wirtschaftspolitischen Flügel der Partei wird Kritik an Merkels Wahlkampfstrategie laut.

"Der Wahlkampf ist inhaltlich profillos"

Besonders deutlich wurde Josef Schlarmann, Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung: "Der bisherige Wahlkampf ist inhaltlich profillos", sagt er der FTD. "Bisher ist es nicht gelungen, den Menschen klarzumachen, wie die Union das Land aus der Krise führen will", so Schlarmann. Er gab der Kanzlerin eine Mitschuld am miesen Abschneiden der CDU im Saarland und in Thüringen: "Frau Merkel hat ihre Kampagne vorrangig auf sich selbst zugeschnitten. Damit können die Ministerpräsidenten auf Landesebene natürlich nicht punkten."

Für diese harten Worte gibt’s in der Präsidiumssitzung eine saftige Watschn der Kanzlerin: Schlarmann sei von Merkel namentlich kritisiert worden, berichten Teilnehmer der Sitzung. Die Strategie werde auch nicht geändert, sagt Merkel: "Im Präsidium haben wir übereingestimmt, dass wir vollkommen richtig liegen. Wir waren uns vollkommen einig." Auch an ihrem persönlichen Stil wolle sie nichts ändern: "Ich werde nicht in Lagern denken, sondern um die Menschen werben. Deshalb werde ich auch nicht aggressiver werden, sondern Argumente vorbringen."

"Merkel selbst tut genug"

Doch genau die fehlen vielen in der Union. Und es fragt sich, ob die Debatte damit erledigt ist. Die CDU-Kronprinzen beispielsweise zeigen offiziell Geschlossenheit. Doch ihr Lobpreis über Merkel klingt seltsam vergiftet: Einen "Weckruf" nennt Hessens Ministerpräsident Roland Koch die Wahlergebnisse. Und versichert eilfertig: "Mehr als Bundeskanzlerin Angela Merkel kann man im Wahlkampf nicht machen." "Merkel selbst tut bereits genug", beteuert auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wullff. Und mahnt gleichzeitig: "Es ist nichts entschieden, das Rennen ist noch offen."

Am weitesten wagt sich am Wahlabend Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger aus der Deckung: "Im Schlafwagen werden wir die Wahl nicht gewinnen." Eine böse Spitze, schließlich plant Merkel eine Tour im alten Adenauer-Kanzlerzug "Rheingold".

Die FDP fordert endlich eine klare Koalitionsaussage

Auch die FDP wird langsam nervös. Zwar ließ sich Parteichef Guido Westerwelle gestern demonstrativ gut gelaunt beim Frühstück in Berlin fotografieren. Doch er weiß genau: Ohne eine starke Union wird’s für ihn wieder nix mit dem Regieren. Und so fordert auch die FDP immer massiver eine klare Koalitionsaussage der Kanzlerin: "Die Union muss sich fragen, ob sie weiter auf drei Koalitionshochzeiten tanzen will", sagte Westerwelle. "Klarheit ist gefragt."

Parteivize Rainer Brüderle kritisierte, die CDU biete ein "diffuses Bild". Dazu passt, dass Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich bisher ebenfalls keine Koalitionsaussage macht – und erstmal in aller Ruhe auch mit SPD und Grünen spricht. Auch Merkel will sich nicht unter Druck setzen lassen: Im Wahlprogramm stehe, man wolle die Koalition mit der FDP. "Das muss man nicht jeden Tag ergänzen." Spricht’s und verschwindet. Violett steht übrigens auch für Zweideutigkeit.

Annette Zoch

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